Essen. Der Regionalzug-Betrieb wird im Revier auf neue Beine gestellt. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr will bis zu 70 Doppelstock-Züge kaufen. Sie sollen auf Regionalexpress-Strecken zwischen Dortmund und Köln sowie Düsseldorf und Oberhausen eingesetzt werden. Vorbild für den Modernisierungsschub ist England.
Der Bahnverkehr im Ruhrgebiet steht vor einem Modernisierungsschub. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) will für die Zeit nach 2016 60 bis 70 Doppelstock-Züge kaufen. Sie sollen mit Tempo 160 zunächst auf vier Regionalexpress-Kernstrecken über Dortmund und Köln, auf zwei weiteren über Oberhausen und Düsseldorf fahren und später als geplanter Rhein-Ruhr-Express (RRX). Der Komfort soll – zum Beispiel mit ebenerdigen Einstiegen – an den von neuen Fernverkehrszügen herankommen.
Die Ausschreibung liegt noch nicht vor. Der Kampf um den Zuschlag für den 600-Millionen-Euro-Auftrag ist aber entbrannt. Der Siemens-Konzern hat jetzt klargemacht, dass er sich mit der Neuentwicklung „Desiro City“ bewerben und auch die Instandhaltung der Züge übernehmen will.
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Damit kommt es im Nahverkehr im Rhein-Ruhr-Raum zu einem Bruch mit der Tradition. Zum einen erwirbt der Verbund, gemeinsam mit anderen, erstmals selbst Fahrzeuge und finanziert sie über Kredite, bedient durch Geld von Bund und Land. Zum zweiten sind – ganz nach Siemens-Wunsch – Lieferung und Instandhaltung nicht getrennt. Der Betrieb wird in einer weiteren Ausschreibung vergeben. Die Lage im Regio-Bereich heute ist anders: Die Staatsbahn DB kauft die Züge, wartet und betreibt sie aber in eigener Regie.
Das Vorbild ist England
„Wir wollen so einen echten Wettbewerb möglich machen“, verteidigt Johannes Bachteler vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr das Konzept. Auch Bewerber Siemens sieht in dem System nur Vorteile – vor allem mehr Pünktlichkeit durch besser gewartete Fahrzeuge.
Das große Vorbild für „Bau und Instandhaltung in einer Hand“ ist Großbritannien. Hier ist der Siemens-Konzern Marktführer geworden nach dem Prinzip: „Den Mercedes lassen Sie auch nur in der Fachwerkstatt warten.“ Service-Chef Johannes Emmelheinz: „Wir bieten auf der Insel ein Rundum-Sorglos-Paket für Betreiber und Kunden. Siemens hat 1483 Regionalzüge vom Typ Desiro UK im Einsatz mit weit über 95 Prozent Verfügbarkeit. Wir trauen uns das auch in Deutschland zu.“
Werk in Krefeld profitiert
Verfügbarkeit ist das Schlüsselwort. Northampton nördlich von London: Im Siemens-Depot Kings Heath werden rund um die Uhr die Züge der Midland-Bahn in Schuss gehalten, die die Hauptstadt mit Birmingham verbindet. Lokführer und Wartungsleute bereden technische Probleme miteinander. Geht an einem Zug eine Schraube kaputt, wird sie oft auch in den anderen ausgetauscht. Vorsorge sei das. Teils sei die Flotte so zu 99 Prozent verfügbar, sagt Emmelheinz.
Schon seit 1997 wird nach diesem System die Flughafen-Verbindung Heathrow-Express betrieben. Kurz vor dem Abschluss steht der Vertrag für das große Thameslink-Netz zwischen London und der Südküste. 1200 Waggons, 250 Züge sollen in Krefeld gebaut werden. Ein 4,2 Milliarden Euro-Auftrag.
Für den deutschen Platzhirschen DB AG wird es damit eng. Siemens will auch in Berlin gegen den dortigen S-Bahn-Betreiber bieten. Experten glauben, dass weitere große Anbieter wie Bombardier, Alstom und Stadler in den Ring steigen.