Duisburg. Sorgen um die Rohstoffversorgung für Europas Industrie: Der Ruf nach einer staatlichen Reserve wird laut. Edelstahlkonzern setzt auf Recycling.
Der Krieg von Russland gegen die Ukraine schürt Sorgen um die Rohstoffversorgung der Industrie in Europa. Vor diesem Hintergrund verfolgt der luxemburgische Edelstahlhersteller Aperam große Pläne für den Duisburger Recycling-Spezialisten ELG. Nach dem Verkauf von ELG durch den Traditionskonzern Haniel will Aperam das Geschäft der Ruhrgebietsfirma ausbauen. „In der gegenwärtigen Lage wird umso deutlicher, wie wichtig eine funktionierende Rohstoffversorgung ist“, sagt Aperam-Finanzchef Sudhakar Sivaji, ein langjähriger Thyssenkrupp-Manager, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Russland und die Ukraine sind wichtige Rohstofflieferanten für viele Industriegüterhersteller. Angesichts der Kriegssituation fordert der Verband Deutscher Metallhändler (VDM) die Bundesregierung dazu auf, eine staatliche Rohstoffreserve für strategisch wichtige Sondermetalle anzulegen.
Russland liegt Branchenangaben zufolge bei Vanadium, Kobalt und Palladium auf Platz zwei der weltweit größten Produzenten. Vanadium wird für Baustahl, Kobalt für die Batterieproduktion und Palladium insbesondere in der Automobilindustrie benötigt. Die Ukraine ist ein bedeutender Markt für Titan, aber auch Mangan-Legierungen, die vor allem in der Stahlindustrie eingesetzt werden. Länder wie die USA, China und Japan hätten bereits staatliche Rohstoffreserven für Sondermetalle angelegt oder stellten wie Großbritannien oder Frankreich Überlegungen zu einem möglichen Aufbau an, so der VDM.
„Recycling ist für uns eine Wachstumsstory“
Das Ziel von Aperam sei, mit ELG in Duisburg die Wertschöpfungsketten innerhalb Europas zu stärken, sagt Aperam-Finanzchef Sivaji: „Recycling – und damit ELG – ist für uns eine Wachstumsstory.“ Die 1962 als Unternehmen für Eisenlegierungen gegründete Firma ELG war seit fast 40 Jahren ein fester Bestandteil der Duisburger Firmengruppe Haniel. Im Frühjahr vergangenen Jahres ist der aus dem weltgrößten Stahlkonzern Arcelor-Mittal hervorgegangene luxemburgische Hersteller Aperam eingestiegen, bisher ein lupenreiner Edelstahlproduzent – ein Novum in der Branche. „Es ist nach meinem Kenntnisstand das erste Mal in unserer Industrie, dass ein Stahlhersteller ein Recycling-Unternehmen kauft“, erklärt Sivaji.
ELG habe sich als Spezialist für den Handel, die Aufbereitung und das Recycling von Rohstoffen zu einem der führenden Unternehmen in der Branche entwickelt, sagt Sivaji. Mit 1200 Mitarbeitenden an 51 Standorten in 20 Ländern soll ELG nun eigenständig innerhalb des Konzerns Aperam agieren – mit einer eigenen Zentrale in Duisburg. „Das Unternehmen hat hohe Kompetenz bei Hochleistungswerkstoffen wie Titan und sogenannten Superlegierungen“, erklärt Sivaji. „Ich denke, auch im Zusammenhang mit der Elektromobilität ergeben sich Chancen, etwa beim Recycling von Rohstoffen, die für Batterien notwendig sind.“
„Schrott – ein sehr wichtiger Rohstoff“
Nach der Übernahme von ELG gehören etwa 10.600 Mitarbeitende zum börsennotierten Aperam-Konzern. Auch für die eigene Edelstahlproduktion sei ELG von Bedeutung. „Schrott ist für uns ein sehr wichtiger Rohstoff“, erklärt Aperam-Finanzchef Sivaji. In Europa befinden sich Stahlwerke der Arcelor-Mittal-Abspaltung im belgischen Genk und in Chatelet. Dort betreibt Aperam Elektrostahlwerke, in denen großen Mengen Schrott eingeschmolzen werden, um damit rostfreien Stahl zu produzieren, beispielsweise für Hersteller von Haushaltsgeräten. „ELG ist für uns wie der Zugang zu einer nachhaltigen Mine“, sagt Sivaji.
ELG hat sich darauf spezialisiert, Rohstoffe für die Edelstahlindustrie aufzubereiten. „Von dieser Kompetenz können wir profitieren“, betont der Manager. „In unseren Schmelzwerken gehören bis zu 90 Prozent Schrott zu unserem Rohstoffmix. Durch den Einsatz von Recyclingmaterial verbessern wir unsere Umwelt- und CO2-Bilanz.“