Berlin. Die Webseite „Bahnheld.com“ bot im Internet Zugtickets zu Schnäppchenpreisen an. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Betrugsverdachts.



Bahntickets zum halben Preis – mit diesem Schnäppchen warb die Internetseite Bahnheld.com um Kunden. Auch via Facebook und Twitter versprach das Portal Fahrkarten der Deutschen Bahn, die bis zu 50 Prozent billiger seien als ein reguläres Ticket. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft: Gegen den Betreiber des Schnäppchenportals, der im Impressum unter dem Namen Bernhard Thill auftaucht, liegt der Verdacht des gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetrugs vor, sagte ein Sprecher.

Die angebotenen Tickets könnten mit gestohlenen Kreditkartendaten beschafft worden sein, so die Vermutung. Bahnheld.com ist mittlerweile offline, die Hintermänner offenbar schwer zu ermitteln. Zurück bleiben ratlose Kunden, die womöglich doppelt zahlen müssen.


So köderte das Portal Kunden, die beim Bahnfahren sparen wollten

Kunden, die bei einer Zugreise sparen wollten, entschieden sich auf der Seite Bahnheld.com für eine Fahrt, gaben ihre Daten ein und buchten so ein vermeintlich günstiges Ticket. „Die mutmaßlichen Betrüger wiederum buchten daraufhin auf der offiziellen Seite der Bahn oder ihrer offiziellen Partner eine reguläre Fahrkarte „für Dritte“, sagte ein Bahnsprecher. Eine scheinbar normale Buchung: Der oder die mutmaßlichen Betrüger gaben Name und Adresse der Kunden ein, die zuvor auf Bahnheld.com gebucht hatten, und verwendeten – so der Vorwurf – für die Bezahlung gestohlene Kreditkartendaten. Woher diese stammen, ist bislang nicht geklärt.

Das von der Bahn erworbene Ticket schickten die mutmaßlichen Betrüger an ihre eigenen Kunden weiter – mit der Aufforderung, den Betrag auf ein Konto zu überweisen. Die Schnäppchentickets würden aus Freifahrtkontingenten von Bahnmitarbeitern stammen, behauptete das Portal. Auch seien die Kunden Teil einer guten Sache: Teile der Gewinne würden an Organisationen wie Unicef, WWF oder SOS Kinderdörfer gespendet.

Das erwartet Kunden, die bei Bahnheld gekauft haben

Kunden, die bei Bahnheld ein Ticket gekauft haben, stehen nun vor mehreren Problemen, so die Deutsche Bahn. „Sobald die Zahlung über eine gestohlene Kreditkarte platzt, kontaktieren wir denjenigen, auf dessen Namen das Ticket gebucht wurde, und stellen die Kosten in Rechnung“, kündigte der Bahnsprecher an. Bis der Diebstahl einer Kreditkarte auffalle, könnten jedoch bis zu drei Monate vergehen. Die Tickets seien von den mutmaßlichen Betrügern verändert worden. Bei einer Ticketkontrolle im Zug würden sie auffallen, so der Sprecher. „Die Reisenden müssen dann fürs Schwarzfahren zahlen, je nach Fahrt sind das mindestens 60 Euro“, warnt er. Kunden müssten sich im Zweifelsfall sogar wegen Urkundenfälschung verantworten und würden so Teil eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens.

Die Bahn sieht sich im Recht. „In den Beförderungsrichtlinien ist klar erwähnt: Wenn ein Ticket für Dritte gebucht wird, stellen wir diesen den Fahrpreis in Rechnung, sollte die Bezahlung nicht funktionieren“, erklärt der Sprecher. Mit so etwas müsse man rechnen, wenn man Tickets nicht über eine der offiziellen Stellen beziehe.

Eine Ansicht, die Juristen bestätigen: „Die Kunden müssen den Bahnpreis bezahlen, auch mögliche Strafen für das Schwarzfahren. Sie können sich nicht darauf berufen, Opfer eines Betruges zu sein“, sagt etwa der auf Internetrecht spezialisierte Anwalt Christian Solmecke. Immerhin: Das Geld, das Kunden auf Bahnheld.com ausgegeben haben, muss nicht verloren sein. „Theoretisch können die Betroffenen den Kaufpreis zurückverlangen, denn sie wurden bei Vertragsabschluss arglistig getäuscht.“ Es sei jedoch fraglich, ob die Betrüger zu fassen seien.

Generalstaatsanwaltschaft sucht nach den Betreibern der Webseite

Melanie Schliebener von der Schlichtungsstelle Nahverkehr empfiehlt Kunden, die ihr Ticket über Bahnheld.com bezogen haben, es vor der Fahrt an einem Schalter prüfen zu lassen: „Man sollte nicht einfach in die Bahn steigen und darauf vertrauen, dass alles in Ordnung ist.“ Ob Kunden die nachträgliche Rechnung der Bahn zahlen müssen, wenn die Kreditkartenzahlung platzt, sei nicht sicher. „Einen solchen Fall, mit diesen Ausmaßen, hatten wir noch nie, das muss im Einzelfall geprüft werden“, so Schliebener.

Die Seite Bahnheld.com ist inzwischen nicht mehr erreichbar. Wer sie im Internet sucht oder die Adresse direkt in den Browser eingibt, wird auf die Seite fromatob.de umgeleitet, eine offizielle Partnerseite der Bahn. Auch hier können Kunden sich Preise von Flügen, Bus- und Bahnfahrten anzeigen lassen. Wer buchen will, landet allerdings tatsächlich bei der Deutschen Bahn. Wer die Seite Bahnheld.com umleitete, ist unbekannt. „Unsere Seite stand zu keiner Zeit in einer Geschäftsbeziehung mit den mutmaßlichen Internetbetrügern Bahnheld“, erklärte Gunnar Berning, Geschäftsführer der fromAtoB GmbH. Die Weiterleitung sei ohne das Wissen der Betreiber eingerichtet worden und könne technisch nicht unterbunden werden.

„Etwa im Zeitraum von August bis Oktober 2015 hat Bahnheld auch auf unserer Plattform mit gestohlenen Kreditkartendaten Tickets erworben“, sagt Berning. Das Portal habe nach Bekanntwerden des Betrugs allen geschädigten Kreditkarteninhabern die Zahlungen zurückerstattet und würde nun unter Ausschöpfung aller juristischen Mittel gegen Bahnheld vorgehen.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Berlin ermittelt. Wer hinter Bahnheld.com steckt, ist derzeit unklar. „Die Verantwortlichen konnten bislang noch nicht ermittelt werden“, sagte Sprecher Martin Steltner. Die Firma Next Solution Online mit Sitz in Luxemburg, die im Impressum der Seite genannt wird, ist im Handelsregister nicht aufgeführt.

Hier ist der Kauf sicher


47 Partnerseiten kooperieren mit der Deutschen Bahn und dürfen deren Zugtickets offiziell anbieten. Eine Übersicht finden Kunden hier. Das Buchungsportal www.fromatob.de, auf das Nutzer geraten, die aktuell nach der Seite Bahnheld.com suchen, steht auf der Liste der sicheren Anbieter. Ebenso wie die ähnlich aussehende Seite www.verkehrsmittelvergleich.de, die zur gleichen Firma gehört.