Münster. Die Inflation wird laut Sparkassenverbands Westfalen-Lippe (SVWL) zunehmend zum Armutsrisiko. Der SVWL kündigt höhere Zinsen für Baugeld an.

Die Präsidentin des Sparkassenverbands Westfalen-Lippe, Liane Buchholz, rechnet 2022 mit weiter steigenden Preisen bei den Grund-Lebenshaltungskosten wie Wohnen, Heizen, Essen und Trinken und deshalb mit einer anhaltend hohen Inflationsrate: „Wir werden in diesem Jahr sicherlich eine 4 vor dem Komma behalten“, prognostiziert die Ökonomin am Montag bei der Vorstellung der Jahresergebnisse des Verbandes. Die Folge: Immer mehr Menschen rutschten mit ihren Konten ins Minus: „Wir haben eine hohe Anzahl an betroffenen Kunden“, sagt Buchholz.

Immer mehr Menschen im Minus

Um die Inflation zu bremsen, sei umgehend eine veränderte Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) notwendig. „Wir müssen die Zinsen langsam anheben, aber jetzt damit beginnen. Je länger wir warten, umso schlimmer wird es“, kritisiert Buchholz das Vorgehen der EZB-Präsidentin Christine Lagarde als zögerlich und falsch. Mit ihren Einschätzungen zur Inflation habe die EZB in der jüngeren Vergangenheit bereits mehrfach daneben gelegen.

„Wir müssen die Zinsen langsam anheben, aber jetzt damit beginnen. Je länger wir warten, umso schlimmer wird es“, kritisiert Liane Buchholz, Präsidentin des Sparkassenverbands Westfalen-Lippe, das Vorgehen der EZB-Präsidentin Christine Lagarde als zögerlich und falsch.
„Wir müssen die Zinsen langsam anheben, aber jetzt damit beginnen. Je länger wir warten, umso schlimmer wird es“, kritisiert Liane Buchholz, Präsidentin des Sparkassenverbands Westfalen-Lippe, das Vorgehen der EZB-Präsidentin Christine Lagarde als zögerlich und falsch. © Unbekannt | SVWL

Unabhängig davon, was bei der EZB in Frankfurt entschieden wird, werden die Zinsen für Baukredite in diesem Jahr steigen, versichert Buchholz. Weil die Bankenaufsicht Bafin bei weiter steigenden Immobilienpreisen und verlockend niedrigen Zinsen dem möglichen Platzen einer Immobilienblase in Deutschland vorbeugen will, sollen Banken und Sparkassen zusätzliche Rücklagen bilden. Für den Bereich der Sparkassen in Westfalen-Lippe bedeute dies rund eine Milliarde Euro „konserviertes Kapital“, rechnet der Verband vor. „Die Kunden müssen diese höhere Anforderung mit höheren Zinsen bezahlen. Wir werden anheben müssen. Ob das 0,25 oder 0,5 Prozentpunkte sein werden, kann ich noch nicht sagen“, so Buchholz. Bezogen auf die Sparkassen sei die Bafin-Vorgabe überflüssig, weil die Kredite ausreichend abgesichert seien.

Die Nachfrage nach Baukrediten ist offenbar ungebrochen hoch. Aus Sicht der Sparkassen bleibe der Bedarf nach Baufinanzierungen hoch, weil der Wohnraum knapp sei und es hohen Bedarf an Gebäudesanierung gebe, um die Klimaschutzziele erreichen zu können. Bei den Sparkassen im Verbandsgebiet wurden 2021 von knapp zehn Milliarden Euro Kreditzusagen für Private im vergangenen Jahr mehr als acht Milliarden Euro für den Wohnungsbau zugesagt. Ein Plus von 11,1 Prozent.

Fusionen

Seit dem 1. Januar gibt es nach der Fusion der Sparkassen Gevelsberg-Wetter und Ennepetal-Breckerfeld zu Sparkasse an Ennepe und Ruhr nur noch 55 Sparkassen im Verband Westfalen-Lippe.Am 1. Juni schluckt die Sparkasse Dortmund die Schwerter.Weitere Fusionsgespräche gibt es u.a. zwischen Lüdenscheid und Hagen/Herdecke sowie Soest/Werl und Lippstadt.

Während sich also nach wie vor reichlich Kundinnen und Kunden den Traum von den eigenen vier Wänden verwirklichen, wissen offenbar viele nicht mehr, wie sie ihre Lebenshaltungskosten begleichen sollen. Die anhaltend hohe Inflation, getrieben durch extrem hohe Preise für Energie und ansteigende Preise für Lebensmittel, gepaart mit Folgen der Corona-Krise, in der in der Spitze sechs Millionen Beschäftigte Lohn- und Gehaltseinbußen durch Kurzarbeit hatten, sei ein „Armuts-Booster“. Die Zahl der Menschen, darunter viele Senioren, die mit ihrem Girokonto ins Minus rasseln, steige entsprechend. „Unsere Sparkassen werden den Kunden mit Überbrückungen zur Seite stehen“, verspricht die Verbandspräsidentin.

Weniger Filialen, mehr Onlinebanking

Derweil nimmt die Zahl der Filialen mit Sparkassenberatern des Vertrauens weiter ab. 2021 wurde die Anzahl der Filialen um weitere 46 reduziert. Ein Trend, mit dem die Sparkassen keineswegs allein in der Branche sind. Nach wie vor halten die Sparkassen zwar noch relativ viele Anlaufstellen vor, aber auch hier nimmt das Onlinebanking stetig zu. „Wir steuern auf 80 bis 90 Prozent Kundenanteil zu, der Onlinebanking nutzt“, sagt Vize-Verbandspräsident Jürgen Wannhoff. So sei die Sparkasse von jedem Ort aus erreichbar, Tag und Nacht, schwärmt Wannhoff. Auch die Zahl der „Apple-Pay“-Nutzer sei erfreulich gestiegen. Das Bezahlsystem in Kooperation mit dem US-amerikanischen Anbieter nutzten bundesweit mittlerweile rund 2,5 Millionen Menschen, eine Million mehr als im Jahr 2020.

Ausgewählte Sparkassen nach Höhe der Bilanzsumme in TEuro

Dortmund: 11.759.632
Siegen: 4.620.110
Hagen/Herdecke: 3.943.541
Soest/Werl: 2.881.831
Lüdenscheid: 2.353.178
Iserlohn: 1.921.759
Meschede 1.753.416
Gevelsberg: 1.721.124
Arnsberg: 1.568.255
Schwelm-Sprockhövel: 1.545.188
Hemer/Menden: 1.413.006
Hochsauerland: 1.395.131
Attendorn: 1.229.190
Olpe: 1.142.919
Wittgenstein: 976.945
Ennepetal: 836.395
Burbach: 692.220