Hochsauerland. Mit der Kampagne „Frisch gebackene Azubis“ versuchen 13 Familienbäckereien aus dem Sauerland dem „dramatischen“ Nachwuchsmangel zu begegnen.
Das Bäckereihandwerk hat nicht erst seit gestern mit Nachwuchsmangel zu kämpfen. 13 Betriebe im Hochsauerland belassen es aber nicht länger beim Klagen. Mit der Kampagne „Frisch gebackene Azubis“ wollen sie für sich und die Branche werben – und locken dabei auch mit deutlich mehr Geld als der Tarifvertrag hergibt.
Veraltete Vorstellung vom Beruf
„Wir haben es verpasst, die Entwicklung der vergangenen 30 Jahre im Bäckerhandwerk zu vermitteln“, sagt Elisabeth Vielhaber, Chefin der gleichnamigen Bäckerei und Mühle in Sundern im Sauerland. Die 29-Jährige führt gemeinsam mit ihrem Vater Eberhard das Unternehmen, das seit über 200 Jahren nicht nur täglich für frische Brötchen und Brot sorgt, sondern mit der eigenen Mühle auch besonders nachhaltige Produkte herstellt. Als modern, innovativ und nachhaltig beschreibt sie die Branche. Beim CO2-Abdruck habe man schon allein durch die Verwendung regionaler Produkte gegenüber der Industrie einen Vorsprung, betont die junge Chefin.
„Wir haben sehr, sehr viel zu bieten. Es herrscht ein veraltetes Bild von der Bäckerbranche. Wir sind eine Top-Wahl für junge Menschen“, spricht die leidenschaftliche Bäcker- und Mühlenmeisterin für die 13 Familien-Unternehmen (siehe Infobox), die sich für die Werbekampagne zusammengeschlossen haben und Maßstäbe setzen wollen.
13 Betriebe
Diese 13 Betriebe im Hochsauerland sind an der Kampagne beteiligt: Die Mühlenbäckerei Schulte, Bäckerei & Mühle Eberhard Vielhaber, Bäckerei Adolph, Bäckerei Walter Stüttem, Bäckerei Café Pension Dommes, Bäckerei Konditorei Jürgens, Bäckerei Willi Happe, Bäckerei Hahne, Bäckerei Franzes, Café Bäckerei Tismes, Backhaus Café Liese, Bäckerei Kremer, Bäckerei Isken.
Jeder Auszubildende wird in diesen Betrieben 150 Euro mehr pro Monat als Ausbildungsvergütung bekommen als es im Tarifvertrag vorgeschrieben ist. Außerdem versprechen die Bäckerbetriebe mindestens vier Mal im Jahr Anspruch auf Schulungen beziehungsweise Fortbildungen während der Arbeitszeit, und zwar im beruflichen wie im persönlichen Bereich. „Wir wollen die Persönlichkeitsentwicklung unterstützen. Auch mit ganz praktischen Hilfen“, verspricht Vielhaber.
Dazu kooperiert der Zusammenschluss beispielsweise mit Banken und Sparkassen, deren Experten den jungen Schulabgängern Tipps geben, wie man am besten mit seinen Finanzen umgeht, damit am Ende des Geldes nicht immer wieder noch zu viel Monat steht. „Wir möchten beim Übergang von der Schule in den neuen Lebensabschnitt Beruf unseren Azubis helfen.“ Die Teilnahme an Vorbereitungskursen an der Bäckerschule vor Prüfungen und die Unterstützung bei weiteren Karriereschritten (Zusatzausbildung, Seminare, Meisterprüfungen, etc.) gehören auch zum attraktiven Paket, das die Initiative aus dem Hochsauerland gemeinsam mit der Innung der Kreishandwerkerschaft geschnürt hat, um zu punkten. Längst ist es so, „dass wir uns bei den jungen Leuten bewerben und nicht mehr umgekehrt“, redet Vielhaber nicht drumherum.
Infos auf Homepage und bei Instagram
Allein in ihrem Betrieb gehen in den kommenden zehn Jahren einige Fachleute in Rente. So interessant die Ausbildung sei, so notwendig sei sie auch. Mit ungelernten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern allein in der Backstube ist nicht gut Brot backen. Einen ausgebildeten Bäcker zu finden sei aussichtslos. Und die Lage auf dem Ausbildungsmarkt nennt die Unternehmerin „dramatisch“. Es sei ein offener Kampf um jeden, beschreibt sie die Situation.
Das Szenario, dass eines schönen Wochenendes im Jahr 2030 beim Sonntagsfrühstück eben keine frischen Brötchen und Croissants mehr auf dem Tisch stehen, weil wegen Nachwuchsmangels kein Bäcker mehr in Reichweite ist, scheint durchaus nicht ausgeschlossen zu sein.
Um junge Leute für den Beruf der Bäckerin oder des Bäckers, der Fachverkäuferin oder des Fachverkäufers zu begeistern, lassen die Kampagnenbeteiligten auch Azubis aus der Praxis sprechen. „Jeder Tag ist anders. Dadurch ist genügend Abwechslung im Beruf Programm“, sagt Charlotte Balzer, im dritten Lehrjahr bei Dommes aus Schmallenberg. Ein früher Feierabend ermögliche Zeit für Familie und Freunde bereits am Nachmittag.
Für die Kampagne soll mit witzigen Großflächenplakaten sowie auf Instagram und Facebook und einer eigenen Homepage unter „www.frisch-gebackene-azubis.de“ geworben werden – und ab sofort auf 600.000 Brötchentüten, die die 13 Betriebe verwenden, damit ihr Anliegen sicher auf den Frühstückstischen landet.