Schmallenberg. Veltins hat im ersten Halbjahr 2022 die besten Monate der Firmengeschichte erlebt. Der Blick in die Zukunft quält aber auch die Privatbrauerei.
In zwei Jahren soll Schluss sein. 2024 will er – zum 200-jährigen Unternehmensjubiläum – sein Amt als Generalbevollmächtigter der Veltins-Brauerei an einen Nachfolger übergeben und in den (Un-) Ruhestand gehen. Erst einmal aber geht es für Michael Huber (72) an diesem Wochenende in den Urlaub. Zum Mittelmeer, mit seiner Yacht. Im Gepäck hat der Veltins-Manager einerseits Stolz und Freude über das beste Halbjahres-Ergebnis der Firmengeschichte, andererseits aber auch viel Ungewissheit und einige Sorgen. Wie so viele derzeit.
Brauerei erreicht „Allzeithoch“
Am Donnerstag stellte Huber, seit 1996 Generalbevollmächtigter der Privatbrauerei aus Meschede-Grevenstein, die Veltins-Bilanz für die ersten sechs Monate des laufenden Jahres vor. Die könnte besser kaum sein. Mit einem Ausstoß von 1,71 Millionen Hektolitern und einem Wachstum von 10,1 Prozent vermeldete die Sauerländer Privatbrauerei ein „Allzeithoch“, wie Huber sagte: „Noch nie wurde in der Brauereigeschichte innerhalb eines halben Jahres so viel Bier gebraut.“
Fassbierzuwachs begünstigt Rekord-Halbjahr
Im ersten Halbjahr 2022 sei man doppelt so stark wie der Gesamtbiermarkt (plus fünf Prozent) gewachsen. Vor allem die „schwungvolle Rückkehr des Fassbiergeschäfts“, wie Veltins formulierte, ermöglichte diese Entwicklung. Feste und Veranstaltungen sind wieder erlaubt, das kurbelte die Nachfrage an. Mit 194 000 Hektolitern erreichte das Unternehmen beim Fassbier 77 Prozent des Vor-Corona-Volumens (247 390 hl). Bedeutet aber auch, dass im Handel beim gesamten Getränkesortiment der Absatz etwas zurückging (minus fünf Prozent), weil die Verbraucher wieder weniger zu Hause konsumierten.
Die Freude über das Rekord-Halbjahr und über eine neue Abfüllanlage, die im August in Betrieb gehen soll, ist das eine, die ungewisse Zukunft das andere. „Was uns so quält“, sagte Huber, „ist der Blick nach vorne.“ Es ist der Blick ins Ungewisse – der bange Blick auf den Krieg in der Ukraine, auf die steigenden Preise, auf Nachschubprobleme, insbesondere auf möglicherweise endende Gaslieferungen, aber auch auf den weiteren Verlauf der Pandemie ab Herbst und auf die Personalprobleme etwa in der Gastronomie. All das lässt Huber davon sprechen, dass die gesamte Brauwirtschaft „in der zweiten Krise“ sei.
Huber: „Es kann zu seiner sehr schweren Krise kommen“
Flaschen (die unter Einsatz von Gas hergestellt werden), Paletten, Malz, Strom, Gas, Folien, Leim, Etiketten, Kartonage, all das ist teurer geworden, zum Teil um mehrere Hundert Prozent. „Wenn wir das hochrechnen auf ein Jahr, reden wir von Millionenbeträgen, die das mehr kosten wird“, sagte Huber. Und keiner weiß ja, ob es nicht noch teurer wird. „Ist die Runde zu Ende? Nein. Wenn es zu einem Gasembargo kommt, wird sich das extrem zuspitzen“, warnte Huber und empfahl: „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass es zu einer sehr schweren Krise kommen kann.“
Der Veltins-Chef hatte bereits Anfang des Monats im Interview mit dem Handelsblatt die Formel geprägt: „Ohne Gas kein Bier“. Nun sagte er: „Ohne Gas kein Glas. Und ohne Glas kein Bier im Glas.“ Um sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten, habe Veltins daher für „immense Summen“ so viele Glasflaschen wie möglich gekauft, „und die bunkern wir“, so Huber weiter. Ähnliches gelte für andere Materialien.
Veltins könnte im Ernstfall sieben Wochen durchhalten
Tausende Quadratmeter Lagerkapazität seien angemietet, zudem Öltanks gekauft und befüllt worden, um zur Not in den Sudhäusern von Gas auf Öl umsteigen zu können. Innerhalb einer Stunde sei das möglich. 100 000 Liter Öl pro Woche würde man im Ernstfall benötigen, 500 000 Liter habe man aktuell auf Lager. Bereits jetzt teste man in Teilbereichen den Betrieb mit Öl, spare dabei etwa 30 Prozent Gas ein. Das hat Vor-, allerdings auch Nachteile.
„Öl ist zwar günstiger, aber der Verbrennungsfaktor ist um 30 Prozent niedriger als beim Gas“, erklärte Huber. Würde man nur mit Öl produzieren, könne man aufgrund des schlechteren Verbrennungsfaktors 85 Prozent der Kapazitäten ersetzen. Im schlimmsten Fall – wenn es also kein Gas und auch kein Öl mehr gäbe – könne Veltins sieben Wochen durchhalten. „Das wäre ganz schön eng, aber das passiert nicht, keine Sorge“, sagte Huber und erklärte: „Wir beschaffen uns jetzt schon dauerhaft Ölreserven und lagern die. Es ist für uns alle unvorstellbar, dass wir nicht mehr produzieren können.“
Huber sieht das Unternehmen gut gerüstet
All die – teuren – Vorkehrungen lassen Huber, der für den Moment eine erneute Preiserhöhung durch Veltins ausschloß und künftig mit der Brauerei eine sehr hohe Eigenversorgung durch alternative Energien erreichen will, trotz all der Ungewissheit einigermaßen zuversichtlich in die Zukunft blicken. „Wir gehören bestimmt zu denen, die am besten vorbereitet sind“, sagte er und erklärte: „Wir sind positiv, wir sind optimistisch.“ Dazu trägt natürlich die starke Halbjahres-Bilanz bei.