Bad Berleburg/Willingen. Die junge Milcherei Henk in Bad Berleburg und die traditionsreiche Upländer Bauernmolkerei in Willingen verbindet nicht nur ihre Unabhängigkeit.

„Nachts noch im Euter, mittags im Regal.“ Philipp Henk lächelt. Der 34-Jährige ist zufrieden. Er hat sich mit der Milchwirtschaft wieder angefreundet. Sehr sogar. Das war vor gut zehn Jahren völlig anders. Als seine Familie in schlechtesten Zeiten mit 19 Cent pro Liter Milch von den Molkereien abgespeist wurde, sattelte der Wittgensteiner auf Forstwirtschaft um. So bedrohlich und frustrierend die Dumpingpreise seinerzeit waren, so ernüchternd war und ist das Werk der Borkenkäfer in Südwestfalen, der, wenn man so will, Philipp Henk zurück zur Land- und Milchviehwirtschaft gebracht hat.

„Wir wussten seit langem, dass die Fichte endlich ist. Wir haben noch 15 bis 18 Monate zu tun. Dann ist Schluss“, sagt Henk, Chef des siebenköpfigen Forstbetriebs nüchtern mit Blick auf die gegenüberliegenden Berghänge.

Der Verbraucher-Trend zu regionalen und hochwertigen Lebensmitteln hat Henk Rückenwind bei der Entscheidung gegeben, auf dem Hof der Eltern eine alte Scheune abzureißen und eine Milcherei samt Selbstbedienungsladen und damit ein neues Geschäftsfeld für sich, aber auch seine Mitarbeiter aufzubauen.

Seit kurz vor Weihnachten steht die Tür zur schicken, rund 40 Quadratmeter großen Verkaufsfläche täglich von 6 bis 22 Uhr offen. In den Regalen: Vor allem Sauerrahmbutter, Wittgensteiner Joghurt, Speisequark und natürlich frische Milch aus eigener Produktion. Große Fenster erlauben Kundinnen und Kunden Einblicke in die hinter dem Laden anschließende Produktion. Einladend. Transparenter geht die Herstellung von Lebensmitteln kaum. „Ich kann nur sagen, dass es auch nicht frischer geht“, betont Henk. Ob seine Milch mit rund vier Prozent Fett (im Sommer wegen des Auslaufs etwas weniger als im Winter) und sein Joghurt, schonend hergestellt, um möglichst viele Vitamine zu erhalten, nun besser schmeckt als Massenware, kann der Landwirt kein Stück beurteilen: „Ich trinke die andere Milch nicht.“ Punkt. Die Menschen in Arfeld und die Kunden in den Dorfläden und Rewe-Märkten, die im Umkreis von rund 25 Kilometern von Henk und seinem Team beliefert werden, stimmen darüber mit ihrer Nachfrage ab. „Die ersten zwei Wochen waren wie ein Überfall“, erinnert Henk. Aus Neugierde und Solidarität ist echte Nachfrage geworden. Für Henk sei die Wertschätzung noch wichtiger als das Rascheln in der Kasse im Hofladen, in die die Kunden selbstständig das Geld für die entnommene Ware werfen.

Joghurt läuft wie geschmiert

Rund eintausend Liter Milch werden auf dem Hof Henk in der Milcherei täglich verarbeitet. Ein Liter sind fünf Joghurtbecher (läuft wie geschmiert). Ein Teil wird zur Molkerei gebracht (zum Glück sind die Vergütungen in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen). Das Beste: „Wir sind nicht mehr wie früher in der Hand von Großkonzernen. Das macht schon Spaß.“

Karin Arzt-Steinbrink dürfte Philipp Henk nur zu gut verstehen. Sie ist Chefin der Upländer Bauernmolkerei, gar nicht weit entfernt von Bad Berleburg in Willingen-Usseln.

Die Motivation eine eigene regionale Molkerei zu betreiben, war vor mehr als 25 Jahren (1996) gar nicht so anders.

Karin Artzt-Steinbrink, Geschäftsführerin der Bauernmolkerei, mit Finanz-Chef Tobias Kleinsorge vor dem modernen Neubau.
Karin Artzt-Steinbrink, Geschäftsführerin der Bauernmolkerei, mit Finanz-Chef Tobias Kleinsorge vor dem modernen Neubau. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Die Upländer Molkerei hat eine Tradition, die ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Seit jeher haben die Milchviehbauern aus der Region ihre frische Milch dort zur Verarbeitung abgeliefert, bis die Molkerei nach Übernahme der heutigen Campina im Jahr 1995 geschlossen wurde. Lange Wege, stetiges Feilschen um jeden Pfennig, später Cent Vergütung waren die Landwirte aus der Region schnell leid. 1996 gründete sich eine Erzeugergemeinschaft aus Biobauern, die die Molkerei vor Ort wiederbelebte. In den ersten Jahren wurde dort auch noch konventionelle Milch verarbeitet, seit 2009 ausschließlich Bio, erklärt die Geschäftsführerin Artzt-Steinbrink.

Mehr als einhundert Landwirte beliefern heute täglich die Upländer Bauernmolkerei und bekommen rund 50 Cent pro Liter. „ich denke, es muss noch höher gehen“, sagt die Chefin. Es gibt sogar eine Warteliste, weil die Kapazität am alten Standort in Usseln bei maximal 40 Millionen Liter pro Jahr liegt. „Die Nachfrage nach Bio ist gut und kontinuierlich gestiegen.“ Bio bedeutet nicht nur schonende Verarbeitung und keine künstlichen Aromen, sondern fängt bereits bei der Tierhaltung an: Mehr Platz, Kreislaufwirtschaft, keine künstlichen Düngemittel auf dem Feld, sondern Aussaat von Zwischenfrüchten. Medikamente dürfen die Landwirte nur im Notfall einsetzen und müssen das anzeigen. Im Labor der Molkerei wird von jeder Lieferung ohnehin eine Probe gezogen und auf Antibiotika geprüft.

Die Upländer setzen bei der Verarbeitung seit 15 Jahren auf Tiefenfiltration, eine schonende Art, Keime aus dem Produkt zu filtern.“ Das hat sich in der Branche nicht durchgesetzt, weil es teuer ist“, so Artzt-Steinbrink. Die Milch läuft sehr langsam durch die Filter, soll dann aber auch zwei, drei Tage länger haltbar sein als vergleichbare Produkte. Im Umkreis von rund 150 Kilometern liefert die Molkerei an Verkaufsstellen. Mehr ist gar nicht gewollt. „Es macht keinen Sinn, Milch quer durch die Republik zu fahren.“

Bald wird dagegen die ganze Molkerei umziehen, allerdings nur ein paar hundert Meter aus dem Ortszentrum den Berg hinauf. Dort ist eine nach nachhaltigen Kriterien gebaute neue Molkerei entstanden, deren Edelstahl-Kühlsilos weithin sichtbar sind. Auf dem Dach eine Photovoltaikanlage, ein Blockheizkraftwerk dazu, das noch durch eine Biogasanlage ergänzt werden soll. Bis zu 60 Millionen Liter jährlich beträgt die Kapazität, die schnell erreicht sein dürfte, bio und regional stehen schließlich hoch im Kurs – im Kleinen wie im Größeren.