Hamburg. Eigentlich wollte er eine Schuhfabrik führen. Doch die floppte, und Werner Otto gründete einen Versandhandel. 66 Jahre ist das her - und aus dem Otto-Versand ein längst Handelsgigant geworden. Nun ist mit Otto einer der letzten großen Wirtschaftspioniere der Nachkriegszeit gestorben. Ein Nachruf.
Am Anfang der großen Unternehmerkarriere von Werner Otto stand eine Pleite: Der kurz vor Weihnachten in Berlin gestorbene Versandhauspionier hatte 1945 in Hamburg eine kleine Schuhfabrik eröffnet. Doch die Konkurrenz aus Süddeutschland war stärker, 1949 musste der Kaufmann schließen. Ihm blieben 6.000 Mark und eine Handvoll Mitarbeiter. Otto ließ sich nicht entmutigen und gründete eine weitere Firma: den Otto-Versand mit zunächst per Hand geklebten Katalogen.
Heute beschäftigt der Handelsgigant knapp 50.000 Mitarbeiter weltweit und setzt mehr als 11 Milliarden Euro um.
Vor allem die 50er- und 60er-Jahre waren eine Erfolgsgeschichte für Otto und sein Unternehmen. Damals waren die Menschen auf dem Land von den großen Kaufhäusern in den Städten abgeschnitten. Da kam der Versandhandel gerade recht, und Werner Otto setzte sich an die Spitze der Branche.
Vertrauen brachte neue Kunden
Bald erkannte er, dass das Verschicken von Katalogen langfristig nicht reicht. Er gründete den Hermes-Versand, dessen hellblaue Lieferwagen Waren bis in die entferntesten Dörfer bringen. Als erster Versandhandel nahm Otto Bestellungen per Telefon entgegen und verzichtete auf Bezahlung bei Lieferung.
Der Mut zu Neuem zahlte sich aus: 1951 verbuchte das Unternehmen eine Million Mark Umsatz, 1953 schon fünf Millionen. 1958 setzte Otto 100 Millionen Mark um.
Dem unternehmungslustigen Otto reichte das Versandgeschäft allerdings nicht. Er verkaufte Anfang der 60er-Jahre 25 Prozent seiner Firma an die Essener WAZ-Gruppe und steckte das Geld in neue Projekte. Ende 1965 stieg der Unternehmer mit der Immobiliengesellschaft ECE in das Geschäft mit Einkaufszentren ein. Die Firma baut und vermietet Shopping-Zentren und ist heute die größte dieser Art in Europa. Seit 2000 führt Otto-Sohn Alexander die Firma.
Den Versand leitete über Jahrzehnte der älteste Sohn Michael, der inzwischen in den Aufsichtsrat gewechselt ist. Auch Ottos dritter Sohn Frank wurde Unternehmer in der Medienbranche. Schon über 60, baute Werner Otto später noch Immobilienprojekte in Kanada und den USA auf.
Ein Spender im großen Stil
Der Firmenchef zeigte sein Leben lang aber auch gesellschaftliche Verantwortung: Werner Otto führte früh und freiwillig die Fünf-Tage-Woche ein, wurde im großen Stil Spender. In Hamburg gab er Geld für moderne Behandlungsmethoden in der Kindermedizin, in seinem Geburtsort Seelow östlich von Berlin ließ er die Kirche restaurieren.
In Berlin kaufte Otto eine neue Bühne für das Konzerthaus, in Hamburg beteiligte er sich an der Sanierung des Jungfernstieges. Der berühmten Harvard-Universität in den USA bezahlte der Unternehmer ein Museum. In Brandenburg ließ er den Belvedere auf dem Pfingstberg in Potsdam renovieren.
Otto erhielt für sein Engagement zahlreiche Orden und Ehrentitel. Er lebte in den letzten Jahren zurückgezogen mit seiner Frau Maren in Berlin. Die Hauptstadt verlieh ihm zum 100. Geburtstag die Ehrenbürgerwürde.
Die Verdienste des Unternehmers und Mäzens sollen auf einer Trauerfeier in Berlin gewürdigt werden, wie die ECE am Dienstag mitteilte. Ein Termin für die Beisetzung stehe noch nicht fest.