Hagen. Die Krankenhauslandschaft in NRW wird sich verändern. Gesundheitsökonom Prof. Josef Hilbert sieht Chancen für das Sauerland.

Selten war der Blick auf die Infrastruktur des Gesundheitswesens in den vergangenen Jahrzehnten intensiver als heute. Aktuell dreht sich alles um Impf- und Teststrategien, den schnellstmöglichen Schutz und die Versorgung der Bevölkerung. Davon hängt das Wohlergehen der Menschen ebenso ab wie die Zukunft der Wirtschaft. Aber auch nach der Pandemie sollte das Thema nicht in Vergessenheit geraten. „Gesundheit und das Gesundheitswesen sind Zukunftswirtschaft“, sagt Professor Josef Hilbert, Soziologe und Gesundheitsökonom. Der langjährige Direktor des an der Hochschule in Gelsenkirchen angesiedelten Instituts für Arbeit und Technik (IAT) behauptet mit Blick auf ländliche Regionen wie das südliche Westfalen „mehr Gesundheit wagen wäre Standortförderung“.

Kooperation und Spezialisierung

Der Experte sagt, dass insbesondere der Hochsauerlandkreis in den kommenden Jahren eine überdurchschnittlich steigende Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen bis hin zu „Gesundheitstourismus“, also speziellen medizinischen Angeboten in einer außergewöhnlich erholsamen Umgebung, sehen werde. Zudem könnte die demografische Entwicklung in einer älter werdenden Region ein Treiber für Innovationen wie Telemedizin sein. „In NRW ist hier deutlich mehr drin als aktuell mobilisiert wird“, argumentiert Hilbert und denkt an die Expertise des Instituts für angewandte Telemedizin in Bad Oeynhausen.

Professor Dr. Josef Hilbert war bis 2020 Direktor des an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen angesiedelten Instituts für Arbeit und Technik und leitete dort den Forschungsschwerpunkt Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität. Hilbert ist zudem  Honorarprofessor an den Fakultäten für Medizin und Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum.
Professor Dr. Josef Hilbert war bis 2020 Direktor des an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen angesiedelten Instituts für Arbeit und Technik und leitete dort den Forschungsschwerpunkt Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität. Hilbert ist zudem Honorarprofessor an den Fakultäten für Medizin und Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-B ning

Dass aktuell über drohende Schließungen von Krankenhäusern wie in Winterberg diskutiert wird, hält Hilbert bei der Diskussion um Verbesserung der Infrastruktur nicht für einen Widerspruch. „Die Krankenhauslandschaft ordnet sich gerade neu“, so Hilbert. Dies gelte bundesweit. Im Sauerland ist dies bereits im Raum Arnsberg zu sehen, wo das Klinik Hochsauerland, ein Zusammenschluss von vier Kliniken aus Arnsberg und Meschede, kooperiert und gerade ein vom Land mit Millionen geförderter Klinikneubau entsteht.

Kooperationen und Spezialisierungen könnten demnach ein Ansatz sein, um auch in der Fläche eine qualitativ bessere Versorgung zu erreichen und eine – auch aus Sicht der Wirtschaft – zwingend notwendige Infrastruktur zu gewährleisten. Die Unternehmervereinigung Sauerland Initiativ hatte zu dieser Frage bereits im Sommer Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in einer Diskussionsrunde in Iserlohn zu Gast. Spahn zerstreute zwar die Befürchtungen zu einem Kahlschlag in der Krankenhauslandschaft ländlicher Regionen, betonte aber, dass es nicht um die Klinik vor der Haustür gehe, sondern um besonders qualifizierte Standorte. Sozusagen medizinische Oberzentren und Gewährleistung einer Grundversorgung vor Ort. „Ich würde 500, ja 5000 Kilometer fahren, bevor ich zu jemandem gehe, der eine OP nur einmal im Jahr macht“, hatte Spahn auf Frage des Sauerland-Initiativ-Sprechers und Moderators Jörg Bartmann geantwortet.

Gesetzesnovelle beschlossen

Rund 50 Kliniken arbeiten derzeit noch im südlichen Westfalen, darunter etliche Fachkliniken. Schwerpunktbildung wird vom Land im Krankenhausgestaltungsgesetz angestrebt, dessen Novelle nach entsprechendem Antrag von CDU und FDP am Mittwoch im NRW-Landtag verabschiedet wurde.Eine zukunftsfähige medizinische Infrastruktur hat aus Sicht von Sauerland Initiativ hohe Bedeutung in Bezug auf die Lebensqualität und Attraktivität des Wirtschaftsstandortes.

Ob dies nun zwangsläufig in einem von der Unternehmervereinigung Ende vergangenen Jahres vorgeschlagenen Neubau eines Großklinikums im Sauerland oder weiterer Vernetzung enden muss, lässt Gesundheitsökonom Hilbert offen: Wünschenswert sei neben Abstimmung zwischen den vorhandenen Akteure auch ein Brückenschlag per Telemedizin zu Hochleistungsmedizin wie Unikliniken und Krankenhäusern mit Maximalversorgung und Spezialisten. „In den Augen der Bevölkerung können solche Erneuerungen am Ende aber nur bestehen, wenn klar ist, dass am Ende mehr Gesundheit und Lebensqualität dabei herauskommen als bisher,“ unterstreicht Hilbert. Das Institut für Arbeit und Technik (IAT) könne bei der Entwicklung eines entsprechenden Konzepts dem südlichen Westfalen helfen.

Kassen begrüßen neues Gesetz

René Thiemann, Geschäftsführer des städtischen Krankenhauses Maria-Hilf in Brilon und des Hüttenhospitals in Dortmund bestätigt, dass das Hochschul-Institut IAT der richtige Partner an der Seite der Gesundheitswirtschaft und Politik im Sauerland sei. Gemeinsam könne man einen Masterplan Gesundheitswirtschaft Hochsauerlandkreis, der insbesondere einen Qualitätsgewinn in der medizinischen Versorgung – insbesondere in Pandemiezeiten – bringt, entwickeln.

Orientierung könnte ein Masterplan auch bei der Anwendung des am Mittwoch im nordrhein-westfälischen Landtag verabschiedeten Krankenhausgestaltungsgesetzes bieten. Während die gesetzlichen Kassen wie die AOK Nordwest das Gesetz klar begrüßen, ist es der Krankenhausgesellschaft NRW noch deutlich zu vage.