Moskau. Werden Diamanten bald spottbillig? Russische Wissenschaftler erkunden derzeit eine riesige Diamanten-Mine im äußersten Osten Sibiriens, die die bisher bekannten Diamanten-Reserven mehr als verdoppeln könnte. Russland könnte den Markt überschwemmen und die Preise drücken. Doch der Abbau der Edelsteine ist nicht einfach.
Im äußersten Norden Sibiriens erkunden russische Wissenschaftler derzeit eine Diamantenmine, die alle bisherigen weit in den Schatten stellen soll. Sie könnte die bisher weltweit bekannten Diamantenreserven mehr als verdoppeln und den Markt für die wertvollen Steine auf den Kopf stellen. Russland könnte die Handelsbörsen regelrecht überschwemmen, der Preis für Industriediamanten würde stark fallen. Doch ein Abbau in der entlegenen Region ist nicht einfach.
Eigentlich hatten Wissenschaftler im Dienste der Sowjetunion das Vorkommen bereits 1970 entdeckt, als sie den Popigai-Krater mit einem Durchmesser von 100 Kilometern erkundeten. Ein großer Asteroid stanzte ihn vor 35 Millionen Jahren in den Boden und schuf dabei aus dem sibirischen Grafitgestein durch Druck und Hitze extrem harte Diamanten. Die UdSSR erklärte die Existenz des Vorkommens aber zum Staatsgeheimnis. Denn damals produzierte die Sowjet-Industrie künstliche Diamanten, die Suche nach natürlichen Vorkommen wurde zurückgefahren.
Krater blieb fast 30 Jahre unberührt
Diese Strategie wurde auch weiterverfolgt, obwohl laut russischen Medienberichten den Experten bereits damals klar war: Natürliche Diamanten sind für die Industrie viel besser geeignet als synthetische. Ihre Abriebeigenschaften sind deutlich höher. Aber die Logik der Fünfjahrespläne zwang die Chemieindustrie in diese Bahn. Der Popigai-Krater blieb für 30 Jahre nahezu unberührt. 1990, in der Wirtschaftskrise Russlands, wurde er zwar freigegeben, war aber bereits vergessen.
Im Schnitt sind die wertvollen Steine aus dem Krater 0,5 bis zwei Millimeter groß. Für Schmuck ungeeignet, sind sie sehr begehrt in der Industrie: Bohrköpfe und Raumfahrttechnik werden damit bestückt. Aktuell wächst das Interesse an der Mine im Popigai-Krater wieder, auch dank der Forscher des Sobolew-Instituts für Geologie und Mineralogie in Nowosibirsk, die das Areal erforschen.
Bereits 147 Milliarden Karat Diamanten entdeckt
"Die bisher erkundeten 0,3 Prozent des Krater-Geländes bergen bereits 147 Milliarden Karat Diamanten," sagt der Direktor des Instituts, Nikolai Pochilenko. "Wir sprechen insgesamt also über viele Billionen (Karat)." In Jakutien - bislang die russische Region mit den größten Diamantenvorkommen - lagern nach heutigem Stand der Erkundung nur rund eine Milliarde Karat Diamanten.
Die enorme Menge birgt für Russland die Möglichkeit, den Preis für synthetische Diamanten zu unterbieten, die inzwischen oft aus China kommen. "Der Popigai-Krater könnte alles auf den Kopf stellen," sagt der stellvertretende Direktor des Jakutnipromalmas-Instituts für Industriediamanten, Gennadi Nikitin. "Was dann mit den Preisen passiert, ist unklar."
Abbau schwierig und teuer
Aber auch heute ist es nicht einfach, das abgelegene Vorkommen auszubeuten. "Man muss sich Gedanken über die Kosteneffizienz machen", meint ein weiterer Wissenschaftler des Sobolew-Instituts, Nikolai Tutschkow. Popigai sei immer noch weit entfernt von größeren Zentren. Der nächste Ort ist 400 Kilometer entfernt, die Hauptstadt der Region, Krasnojarsk, liegt 2000 Kilometer südlich. Um den Krater herum gibt es also vor allem unbewohnte Tundra und Permafrost. Bisher hätten die Bergbauunternehmen, die sich überhaupt nach Sibirien wagten, lieber Vorkommen ausgebeutet, die besser erreichbar seien, sagt Tutschkow. (afp)