Essen. Der Süßwarenhersteller Haribo versuchte über Jahre, Mindestverkaufspreise im Einzelhandel durchzusetzen. Im Fokus stand besonders der Discounter Aldi.

Fünf Jahre lang hat sich das Bundeskartellamt durch das Dickicht des deutschen Lebensmittelhandels gekämpft. Bußgelder von über 151 Millionen Euro haben die Wettbewerbshüter wegen illegaler Preisabsprachen bereits verhängt. Weitere Strafen könnten folgen.

Der „Fallbericht“ des Kartellamts über das Zusammenwirken des Süßwarenherstellers Haribo mit dem Einzelhandel liest sich wie ein Krimi. Darin weist die Behörde dem „mit weitem Abstand führenden“ Anbieter von Fruchtgummis und Lakritzen vor, über Jahre „systematisch“ versucht zu haben, Mindestverkaufspreise im Handel durchzusetzen.

Haribo steht besonders unter Druck, weil das Familienunternehmen seit Anfang der 1980er Jahre Aldi und später auch andere Discounter beliefert. Aldi gilt als der unangefochtene Preisführer im deutschen Einzelhandel. Die beiden Discounter aus Essen (Nord) und Mülheim (Süd) können allein durch ihre schiere Größe und ihre günstige Kostenstruktur „auch mit geringen Verkaufspreisen gute Erträge erwirtschaften“, schreibt das Kartellamt.

Haribo gewährte Ausgleichszahlungen

Die Konkurrenten Edeka, Rewe, Kaufland und Metro kamen mit ihrer Handelsspanne indes nicht zurecht und „forderten Haribo daher auf, auf eine Erhöhung der Ladenverkaufspreise hinzuwirken“. Trotz gestiegener Rohstoffpreise gelang es Haribo aber nicht, 2004 höhere Verkaufspreise bei Aldi durchzusetzen. Der Süßwaren-Riese verzichtete deshalb auf die eigentlich notwendigen Preiserhöhungen und gewährte den anderen Händlern „Ausgleichszahlungen“.

Nach mehrfachem Drängen drehte Aldi 2005 dann doch an der Preisschraube für Haribo-Produkte und die Konkurrenz zog innerhalb weniger Tage nach. Dasselbe Spiel wiederholte sich 2008, als die Rohstoffkosten abermals stiegen.

Finanzielle Anreize, um niedrige Aktionspreise zu verhindern

Das Kartellamt fand heraus, dass Haribo nach den beiden Erhöhungsrunden „intensiv“ die Preisgestaltung in den Läden überwachte und umgehend eingeschritten sei, „wenn eine Unterschreitung der definierten Preisuntergrenze durch einen Händler drohte“. Zeigte sich dieser uneinsichtig, „drohte Haribo oftmals damit, die Ware nicht oder nicht vollständig auszuliefern“. Gelegentlich, so die Wettbewerbshüter, habe Haribo auch mit „finanziellen Anreizen“ gewunken, um niedrige Aktionspreise zu verhindern.

Das Kartellamt legt Wert auf die Feststellung, dass die Handelsunternehmen „keineswegs nur Objekt und Opfer solcher Preispflegemaßnahmen von Haribo“ gewesen seien. Mit der Ausnahme von Aldi forderten sie den Süßwarenhersteller ihrerseits auf, sich für die Wahrung der Preisuntergrenzen einzusetzen, sollte ein Wettbewerber ausscheren.

Unternehmen arbeiteten an der Aufklärung mit

Nachdem die Kartelle nun aufgeflogen sind, erklärte Haribo am Donnerstag, dass sich das Unternehmen nicht bewusst gewesen sei, mit seinem Verhalten gegen Recht verstoßen zu haben. Deshalb habe man auch umfassend an der Aufklärung mitgearbeitet.

Eine Botschaft, die am Donnerstag auch Aldi Nord und Süd eilig in einer ihrer seltenen Presseerklärungen der Öffentlichkeit mitteilen wollte. Dem „steten Drängen eines Herstellers nachgegeben zu haben“, heißt es darin, sei die „leichteste Form“ eines Wettbewerbsverstoßes. Haribo habe 2005 verlangt, den Preis für einen 300-Gramm-Beutel um sechs Cent und drei Jahre später noch einmal um vier Cent zu erhöhen.

Der Düsseldorfer Kartellanwalt Johann Brück begrüßte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass das Kartellamt Fakten geschaffen habe: „Es ist sinnvoll, dass die Unternehmen jetzt Klarheit haben, was bei der Preisfindung möglich ist und was nicht.“