Essen. Die Preise für Immobilien im Ruhrgebiet steigen so stark wie im NRW-Schnitt. Die LBS sieht durch Corona dennoch einen Trend zurück aufs Land.
Trotz der Corona-Krise nimmt das Geschäft mit Wohnimmobilien im Ruhrgebiet weiter Fahrt auf. Einer Erhebung der Bausparkasse LBS West zufolge führt die hohe Nachfrage inzwischen dazu, dass die Preissteigerungen für Häuser, Eigentumswohnungen und Baugrundstücke in der Region Landesniveau erreicht haben.
„Im Revier war bei den Preisen noch Luft nach oben, während in Düsseldorf und Köln die Schmerzgrenze erreicht ist. Hier beobachten wir eine Stabilisierung auf hohem Niveau“, sagt Jörg Münning, Vorstandsvorsitzender der LBS West, im Gespräch mit unserer Redaktion. Das Institut der Sparkassen hat seine bundesweit 600 Vermittler von Immobilien und Baufinanzierungen befragt.
Heraus kam, dass Wohnimmobilien auf dem Gebiet des Regionalverbands Ruhr (RVR) zwischen Hamm und Xanten im Frühjahr neun Prozent teurer waren als 2019. Im Landesdurchschnitt hatte der Preisauftrieb zehn Prozent betragen. Damit liegt die Teuerung im Ruhrgebiet in etwa auf dem Niveau der Regionen Aachen/Eifel und Niederrhein. Allein im Raum Köln/Bonn wurden Wohnimmobilien mit 18 Prozent deutlich teurer. Am niedrigsten fiel die Preissteigerung mit sechs Prozent im Sauer- und Siegerland aus.
Obwohl der Preisauftrieb auch das Ruhrgebiet erreicht hat, lässt es sich hier nach wie vor vergleichsweise günstig wohnen. Mit 290 Euro pro Quadratmeter Bauland liegt die Region deutlich unter dem NRW-Schnitt von 355 Euro. Im begehrten Raum Köln/Bonn sind die Grundstückspreise mit 625 Euro mehr als doppelt so hoch. Aber auch der Niederrhein ist ein relativ teures Pflaster.
Während neue Reihenhäuser im Ruhrgebiet ungefähr so teuer sind wie im Landesschnitt, sieht die LBS West in gebrauchten Reihen- und Einfamilienhäusern eine „preiswerte Alternative“. Das gilt auch für gebrauchte Eigentumswohnungen. 80 Quadratmeter kosten im Revier durchschnittlich 130.400 Euro. Günstiger sind in diesem Segment nur das Sauer- und Siegerland.
Große Unterschiede von Stadt zu Stadt
Die Immobilienpreise unterscheiden sich freilich von Stadt zu Stadt und von Ortsteil zu Ortsteil. Der LBS-Auswertung zufolge müssen Häuslebauer innerhalb des Ruhrgebiets in Essen am tiefsten in die Tasche greifen. Dicht auf den Fersen ist Essen die Nachbarstadt Bochum, gefolgt von Mülheim. Am niedrigsten sind die Preise in Herne und Gelsenkirchen.
Auch wenn sich Immobilienbesitzer im Revier über den stetig wachsenden Wert ihrer eigenen vier Wände freuen können, beobachtet Jörg Münning mit der Ausbreitung des Coronavirus eine neue Entwicklung. „Die Corona-Krise hat gezeigt, dass das Umland der großen Städte wieder mehr gefragt ist. Und der Trend geht wieder stärker zum Wohneigentum“, sagt der LBS-West-Chef. Der in den vergangenen Jahren ausgeprägte Wunsch, vom Land in die großen Städte zu ziehen, schwächt sich nach seiner Einschätzung wieder ab. Kleinere Kommunen im „Speckgürtel“ wie Hattingen und Velbert, aber auch der Niederrhein würden wieder interessanter.
„Da spielt auch die Psychologie eine Rolle. Draußen fühlt man sich sicherer, weil es mehr Platz gibt. Die Enge der Stadt ist für unsere Kunden schon ein Thema“, erklärt Münning im Hinblick auf das Infektionsrisiko. Da eine Vielzahl von Beschäftigten seit März mobil von zu Hause arbeiteten, fielen die Pendelzeiten zur Firma nicht mehr so stark ins Gewicht.
Der wegen der Pandemie befürchtete Einbruch im Immobiliengeschäft ist aus Sicht der LBS West nicht eingetreten. Im Gegenteil: „Im ersten Halbjahr nahmen die Modernisierungskredite um 35 Prozent gegenüber 2019 zu. Die Menschen nutzten die Zeit des Lockdowns, um ihr Heim schöner zu machen“, berichtet Münning. Sein Institut, das auch für das Land Bremen zuständig ist, schließe täglich im Schnitt Bausparverträge in Höhe von 26 bis 27 Millionen Euro ab. „Während der Corona-Zeit wurde diese Summe zum Teil überschritten“, bilanziert der LBS-West-Chef.
Durch Corona sieht die Bausparkasse den Trend zum Wohneigentum noch einmal verstärkt. Trotz des Booms der vergangenen Jahre gibt es laut Münning dafür aber auch Nachholbedarf. „Mit einer Wohneigentumsquote von 45 Prozent liegt Deutschland an vorletzter Stelle in Europa. In NRW beträgt sie nur 42 Prozent“, sagt er. Einen weiteren Schub erhofft sich der Banker von den geplanten Verbesserungen bei der Wohnungsprämie. „Die staatliche Förderung ist der neue Zins. Durch die deutliche Erhöhung der Einkommensgrenzen bei der Wohnungsbauprämie im kommenden Jahr erwarten wir einen weiteren Schub für Baufinanzierungen. Dann werden 59 Prozent aller Einwohner in Deutschland förderfähig sein. Heute sind es nur 37 Prozent“, so der LBS-West-Chef.
Die staatliche Unterstützung dürfte allerdings auch dafür sorgen, dass die Schere zwischen Angebot und Nachfrage noch weiter auseinander geht. Wie angespannt der Markt ist, demonstriert die LBS-Bilanz für 2019: In der Marktregion NRW, Niedersachsen, Berlin und Bremen hatte das Sparkassen-Institut 13.703 Immobilien vermittelt – 4,7 Prozent mehr als 2018. Münning: „Es gab aber 150.000 Interessenten. Das zeigt, wie knapp das Angebot geworden ist.“