Essen. Biotech-Unternehmer Friedrich von Bohlen über den Wettlauf mit dem Coronavirus: Im Kampf gegen die Pandemie könnten „Impfstoff-Cocktails“ helfen.

Wenn sich Friedrich von Bohlen und Halbach mit der Corona-Pandemie befasst, blickt er vor allem nach vorne. Besiegen, sagt er, lasse sich das Virus wohl nicht. Selbst die Pest breche hin und wieder aus. Aber beherrschen lasse sich Covid-19 sehr wohl, und mit ständig verbesserten Impfstoffen sowie neuen Medikamenten müsse in Zukunft hoffentlich auch kaum noch jemand mit Corona sterben, zeigt sich der auf Biotechnologie spezialisierte Unternehmer überzeugt.

Friedrich von Bohlen, der Neffe des Essener Industriellen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, verbreitet Optimismus. Es sei möglich, das Virus zu entschlüsseln, Veränderungen aufzudecken und „in Wochengeschwindigkeit zu reagieren“, sagt er vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV) aus Düsseldorf.

Friedrich von Bohlen, der Neffe des Essener Industriellen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, ist Biotech-Unternehmer und Aufsichtsratsmitglied beim Impfstoffhersteller Curevac.
Friedrich von Bohlen, der Neffe des Essener Industriellen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, ist Biotech-Unternehmer und Aufsichtsratsmitglied beim Impfstoffhersteller Curevac. © Privat | Privat

Friedrich von Bohlen ist studierter Biochemiker und hat einen Doktortitel in Neurobiologie. Nachdem er sich zunächst wissenschaftlich mit der Biotechnologie beschäftigt hat, verlagerte er dieses Interesse ins Unternehmertum. Der Krupp-Nachfahre ist Mitgründer des Biotech-Unternehmens Molecular Health in Heidelberg. Außerdem ist er Geschäftsführer der Dievini Hopp BioTech Holding, die Firmenbeteiligungen des SAP-Mitbegründers Dietmar Hopp und seiner Familie verwaltet. Im Portfolio befindet sich auch der Impfstoffhersteller Curevac, in dessen Aufsichtsrat Friedrich von Bohlen sitzt.

Biotech sei „die beste Medizin“, nicht nur gegen Corona, sagt er. Das Wissen aus der Corona-Impfstoffentwicklung werde auch dem Kampf gegen andere schwere Krankheiten wie beispielsweise Krebs „einen riesigen Schub geben“.

Projekt mit der Uniklinik Essen zu Covid-Langzeitfolgen

In Kooperation mit der Uniklinik Essen hat sein Unternehmen Molecular Health ein Datenprojekt zu Covid-Langzeitfolgen gestartet. Eingesetzt wird ein System, das auswerten soll, was in den Zellen passiert, wenn Patienten ein bestimmtes Symptom haben. Ziel sei es unter anderem, Erkenntnisse für die Arzneimittel-Entwicklung zu gewinnen, erklärt Friedrich von Bohlen.

Er rechne damit, dass es in Zukunft aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung häufiger als bisher Pandemien geben werde, sagt der Biotech-Unternehmer. Auch der Kampf gegen Corona bleibe eine Daueraufgabe. Impfungen in wiederkehrenden Zeitabläufen seien wahrscheinlich. Wie oft eine Immunisierung notwendig werde, hänge insbesondere davon ab, wie sich das Virus verändere. Er sei sich aber sich, dass die Impfstoffe verträglicher und sicherer werden.

Impfstoffe – insbesondere auf der mRNA-Basis wie bei den Unternehmen Biontech und Curevac – könnten „sehr schnell angepasst oder ergänzt werden“, erklärt Friedrich von Bohlen. „Es wird in Zukunft wahrscheinlich sogenannte Impfstoff-Cocktails geben.“ Dann komme nicht eine mRNA zum Einsatz, sondern zwei oder drei. So werde das Immunsystem des Menschen auf die verschiedenen Mutanten vorbereitet, die besonders aggressiv seien.

Flammendes Plädoyer für den Patentschutz

Ein flammendes Plädoyer hält Friedrich von Bohlen für den Patentschutz. Eine staatlich verordnete Freigabe der Patente, wie sie von der US-Regierung ins Gespräch gebracht worden ist, hält der Unternehmer für schädlich. Wer Patente enteigne, schrecke Investoren ab und verhindere künftige Innovationen, argumentiert Friedrich von Bohlen. Auch eine schnellere Herstellung von Impfstoffen werde damit nicht erreicht. Entscheidend seien hier Produktionskapazitäten und die Logistik.

Die rasche Entwicklung von Impfstoffen gegen Corona stelle unter Beweis, welche Potenziale die Biotechnologie biete, sagt Friedrich von Bohlen. „Das zeigt auch, was eine Branche leisten kann, wenn man sie leisten lässt“, sagt er. Es sei „hemdsärmelig und pragmatisch“ gehandelt worden.

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In Deutschland mangele es allerdings nach wie vor an Wagniskapital, um die Stärken des Landes im Bereich Biotechnologie auszuspielen. Die Entwicklung von Medikamenten sei „extrem kapitalintensiv“, gibt Friedrich von Bohlen zu bedenken. Oft fehle es an Eigenkapital bei Unternehmen, die neue Wege gehen wollen. Die Lücke lasse sich durch Förderprogramme oder Kredite häufig nicht schließen. Zudem sei es notwendig, den Technologie-Transfer in den Hochschulen zu professionalisieren. Hier seien die USA meist viel weiter als die Bundesrepublik. „In Deutschland wird das sehr unprofessionell betrieben“, urteilt der Unternehmer.

Stammt das Corona-Virus aus der Natur oder aus dem Labor?

Auch die Nutzung von Daten kranker, aber auch gesunder Menschen könnten seiner Einschätzung zufolge Fortschritte bringen. „Gesundheitsdaten sind die neue Währung unserer Solidargemeinschaft“, sagt Friedrich von Bohlen. Die vielen komplexen molekularen Erkenntnisse ließen sich nur digital erfassen, um Erfolge und Misserfolge bei Behandlungen zu beobachten. Dies helfe, besser zu diagnostizieren, zu behandeln und Arzneimittel zu entwickeln. „Die Daten stammen von uns allen“, sagt Friedrich von Bohlen. Wenn die Gesellschaft nichts mit ihnen anfange, bleibe sie „im Blindflug“ und laufe Gefahr, Daten in späteren Jahren für viel Geld von anderen Nationen einkaufen zu müssen. „Ich spiele für den FC Deutschland“, sagt Friedrich von Bohlen. Daher plädiere er dafür, die Chancen der Biotechnologie hierzulande zu nutzen.

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Dass der Ursprung des Corona-Virus identifiziert wird, hält Friedrich von Bohlen für möglich. „Du kannst das schon rausfinden“, sagt er. Seine Vermutung sei, dass Covid-19 in der Natur und nicht im Labor entstanden sei. „Es spricht vieles dafür, dass es natürlich passiert ist“, erklärt Friedrich von Bohlen. „Die Angst, die mitschwingt bei der Frage: Natürlich könnte es auch artifiziell hergestellt werden.“ Denn das Wissen habe die Menschheit über das Virus. „Es ist eigentlich relativ egal heute, ob es aus dem Labor kommt oder nicht. Die Frage ist vielmehr: Wie können wir verhindern, dass es nicht in Zukunft aus dem Labor kommen wird.“