Düsseldorf. Forscher zeichnen ein ernüchterndes Bild von der Beratungsqualität der Arbeitsagenturen. Ihre Kritik: In den Gesprächen gehen die Vermittler zu wenig auf die Arbeitssuchenden ein, arbeiten bürokratische Standards ab und sie kümmern sich vor allem um die leichteren Fälle.
Mit den Hartz-Reformen sollte der neue Dienstleistungsgeist in die verstaubten Behördenstuben der ehemaligen Bundesanstalt für Arbeit einziehen. Doch offenbar hat sich bis auf den Namen wenig geändert: Wer sich bei der Jobsuche auf die Vermittler der Arbeitsagenturen verlässt, ist wohl eher schlecht beraten. Eine Erkenntnis, die viele Arbeitssuchende aus der Praxis kennen und die nun Forscher erstmals auch in einer Studie bestätigen.
Der Heidelberger Sozialwissenschaftler Volker Hielscher und der Organisationsberater Peter Ochs haben im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung die Erstberatungsgespräche zwischen Arbeitsvermittlern und Arbeitslosen untersucht und kommen zu einem teils verheerenden Ergebnis: Die meisten Erstberatungen in den Arbeitsagenturen liefen nach "Schema F" ab. Sie waren standardisiert und ließen für individuelle Ansätze kaum Raum. Fazit: Der Arbeitslose bleibt am Ende oft ratlos zurück.
Wie die Forscher weiter herausfanden, sind die meisten Arbeitsvermittler beim ersten Kontakt vorwiegend damit beschäftigt, Standardformulare am Computer auszufüllen. Der Arbeitslose kommt dabei mit seinen persönlichen Anliegen kaum zu Wort. Ein Dialog auf Augenhöhe? – in vielen Fällen Fehlanzeige.
DGB: Auf einen Vermittler kommen zu viele Arbeitslose
Aus Sicht von Hielscher und Ochs wäre eine solche Interaktion allerdings ein wesentliches Kriterium für gute Dienstleistungsqualität, so wie sie von der Bundesagentur für Arbeit gern propagiert wird.
Für den DGB-Vorsitzenden in NRW, Guntram Schneider, sind die Erkenntnisse der Studie keine Überraschung. Gewerkschafter üben schon länger Kritik an der Beratung und sehen sich durch solche Studienergebnisse bestätigt. Allerdings seien solche Zustände gerade angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit besorgniserregend, so Schneider. Aus seiner Sicht kommen auf einen Arbeitsvermittler noch immer zu viele Arbeitslose. So bleibe die persönliche Beratung auf der Strecke.
Volker Hielscher bescheinigt zwar im Gespräch mit DerWesten vielen Vermittlern, sich über die vorgeschriebenen Standards hinaus zu bemühen. Allerdings, so vermutet der Heidelberger Professor, dass vielen die nötige Qualifizierung fehlt. Die Bundesagentur habe in den vergangenen Jahren eine Menge neuer Vermittler eingestellt. Diese wurden binnen weniger Wochen fit gemacht. "Die Substanz der Qualifikation ist eher dünn", so Hielscher.
Er appellierte an die BA, ihre eigenen Mitarbeiter zu schulen. Denn gerade in den jetzigen Krisenzeiten am Arbeitsmarkt werde eine "bedarfsgerechte Vermittlung" wichtiger.
Viele Gespräche ohne persönliche Note
Die Praxis sieht jedoch vielerorts anders aus: Nach Auswertung der Wissenschaftler verliefen nur zwei der untersuchten 42 Gespräche ideal. Darin formulierten beide Seite ihre Ziele und vereinbarten ein gemeinsames Vorgehen. Der große Rest der Treffen gestaltete sich anders. Zumindest in 17 Fällen öffnete der Vermittler - nach dem bürokratischen Pflichtprogramm - noch seine Schublade mit Förderinstrumenten und versuchte eine Strategie zu entwickeln, um die Chancen des Jobsuchenden zu verbessern.
In über der Hälfte der Gespräche jedoch spulte der Vermittler sein Verwaltungsprogramm ab, ging nicht auf sein Gegenüber ein, ignorierte Wünsche oder persönliche Umstände wie Schwierigkeiten bei der Kinderbetreuung.
Forscher empfehlen Qualifizierung
Die Kritik der Forscher geht aber noch weiter. Nach den Gesprächen ordneten die Vermittler die Arbeitssuchenden je nach Vermittlungshemmnissen in vier Kategorien ein. Doch statt sich dann auf die Problemfälle zu konzentrieren, würden sich die Mitarbeiter der Bundesagentur vor allem um die leichter zu vermittelnden Personen bemühen.
Für die schlechte Beratungsqualität machen Hielscher und Ochs die zu stark vorgegebenen Standards und zu viel Bürokratie verantwortlich. Sie empfehlen darüber hinaus, die Fachkräfte in den Agenturen besser zu qualifizieren. DGB-Chef Schneider fordert darüber hinaus, mehr Personal für die Vermittlung einzustellen.
Hielscher und Ochs untersuchten zwischen Juni 2007 und Februar 2008 42 Beratungsgespräche in fünf Arbeitsagenturen.