Essen.. Jean-Claude Juncker und Josef Ackermann werben beim Wirtschaftsforum “Der Phönix fliegt“ in Essen für die Gemeinschaftswährung Euro. Und sie stellen ihre gemeinsame Idee von einem Europa vor, in dem die Gemeinschaft mehr und Nationalstaaten weniger zu sagen haben.
Jean-Claude Juncker, der Stahlarbeitersohn, versteht das Revier: „Hier leben Menschen, die sich nicht klein kriegen lassen.“ Josef Ackermann, der Schweizer Deutschbanker, hält genau so große Stücke auf das Ruhrgebiet. Für ihn ist es der „Nukleus des europäischen Einigungsprozesses“. Zwei Schwergewichte in der Krisendebatte dieser Tage. Beide sind gerne in die Philharmonie nach Essen gekommen, um vor dem Wirtschaftskongress „Der Phönix fliegt“ zu sprechen und vor fast 2900 Menschen. Beide haben – bei sehr unterschiedlichen Akzenten – mit Verve für mehr und für ein stärkeres Europa geworben. Alternativlos.
Juncker tut es mit Herz und Humor. „Der Euro und ich sind die einzigen Überlebenden von Maastricht“, meint der Luxemburger. Aber, da ist er sicher: „Der Euro wird mich überleben.“ Er glaubt es nicht nur. Es ist für ihn eine Sache der Friedenssicherung. Weltweit, ruft er, tobten doch 52 Kriege. Jetzt, in diesem Augenblick. „Der Frieden ist nicht selbstverständlich. Man muss darum kämpfen.“ Habe je jemand geglaubt, dass es Frankreich und Deutschland so friedlich miteinander aushalten könnten? Eben: Europa sei Dank. „Wenn wir die europäischen Dinge nicht wasserfest machen, dann werden die europäischen Dinge wieder auseinanderfliegen.“
Juncker mag nicht „die Larmoyanz“, wenn er von Reisen außerhalb des Kontinents nach Hause komme. „Der Euro ist eine Erfolgsgeschichte.“ 60 Millionen Arbeitsplätze seien seit seiner Einführung geschaffen worden. Die Europäer hätten Privatvermögen in einer Größenordnung von 50.000 Milliarden in den Schubladen. Die Inflationsrate sei auf dem niedrigsten Stand. „Wir haben Zinsen von einem Prozent.“ Früher, da seien es acht bis zehn gewesen. Er, der Häuslebauer, kenne diese schmerzende Erfahrung aus der Zeit vor Einführung der Gemeinschaftswährung.
Zuwenig Stolz auf den Euro
Nein, sagte Juncker, als er die Bilanz zieht, „es gibt keine Euro-Krise“. Nur einen Mangel an Stolz der Europäer auf ihr Geld gebe es. Das müsse sich ändern.
Josef Ackermann, der Zahlenmensch, berichtet auch von seinen Reisen. Er erzählt von dem gewaltigen Wirtschaftswachstum in den asiatischen Ländern und auch von der Rolle, die die europäischen Nationalstaaten spielen werden, wenn sie sich nicht einigen könnten: nämlich keine. „Jede einzelne Nation ist zu klein, um eine globale Rolle spielen zu können.“
Ackermann berichtet von den großen Aufgaben der unmittelbaren Zukunft: „Eine Billion Euro sind in den nächsten Monaten von Banken und Staaten zu refinanzieren.“ Die Märkte hätten nicht zu früh auf die Staaten Druck gemacht, sondern eher zu spät. „Die vielfach extensive Staatsverschuldung war schuld.“ Es sei also durchaus legitim, wenn es jetzt ordentlich Druck auf die Schuldenstaaten geben würde.
Ackermann und Juncker haben eine gemeinsame Idee, die sie an diesem Abend in Essen ausbreiten. Es ist das Europa, in dem die Gemeinschaft mehr, die Nationalstaaten weniger zu sagen haben. Juncker sagt, das hätte man schon 1991, bei der Geburt des Euro, haben können: Deutschland habe es nicht gewollt. Ackermann, der Finanzmanager, wird dann ganz politisch: „Unweigerlich kommt eine Verfassungsdiskussion auf die nationalen Ebenen zu“, sagt er. Die Abgabe von Souveränität, von mehr Rechten für „die Gemeinschaftsebene“.
In der Essener Philharmonie gibt es starken Beifall für den Auftritt des ungleichen Duos. Mit dem Wirtschaftsforum solle „der Idee von Europa ein neuer Schub gegeben werden“, hatte Evonik-Chef Klaus Engel zuvor gemeint. Was passiert ist.