Mülheim.. Der Mülheimer Mittelständler Gothe hat es geschafft: Vom reinen Bergbauzulieferer baut das Unternehmen nun Schaltkästen für Tunnel und Windkraftanlagen. Mut nennt das Chefin Heike Gothe, den sie auch privat bewiesen hat. Sie hat ihren Brustkrebs überwunden.
Mit dem Sterben des Bergbaus sind viele Zulieferer von der Bildfläche verschwunden. Der Mülheimer Apparatebauer Gothe hat überlebt. Seine explosions- und schlagwettergeschützten Verbindungs- und Verzweigungskästen sind in Windkraftanlagen, auf Ölbohrinseln oder beim Tunnelvortrieb nicht mehr wegzudenken.
Der deutsche Bergbau ist nur noch ein kleiner Ausschnitt, für den das Familienunternehmen arbeitet. „Leider“, sagt Heike Gothe nicht ohne Stolz. „Wir sind jetzt aber auf den Zukunftsmärkten unterwegs.“ Heike Gothe führt den Betrieb, der im Juni seinen 90. Geburtstag feiert, in dritter Generation. Die massigen roten Kästen, die das Werk in Mülheim verlassen, sehen unspektakulär aus. Aber sie haben es im wahrsten Wortsinn in sich.
Gothe nennt es das „Prinzip Lüsterklemme“: In den ein Meter hohen und 1,60 Meter breiten Kästen werden Kabel verbunden, die bis zu 36 000 Volt Spannung aushalten. An ihnen hängen riesige Caterpillar, Tunnelvortriebmaschinen oder chemische Anlagen. Ob unter Tage oder auf hoher See: Die Verbindungen müssen rund um die Uhr funktionieren und selbst Explosionen und extremen Wetterbedingungen standhalten. Die Mülheimer wissen, wie es geht.
Kampf gegen den Brustkrebs
Als Heike Gothe 2003 die Geschäftsführung übernahm, war das für sie „ein Sprung ins kalte Wasser“. Sie übernahm die Aufgaben, die ihr Mann bis zu seiner Erkrankung innehatte. Das Unternehmen sollte in Familienhand bleiben, auch nachdem Wolfgang Gothe 2005 gestorben war.
„Ich habe mich da reingekniet“, erinnert sich Heike Gothe. Als Alleinerziehende mit zwei Kindern, die damals elf und 13 Jahre alt waren. Sie konnte sich auf eine erfahrene Mannschaft verlassen. Ein Pfund, das sich für die Chefin 2010 erneut auszahlen sollte, als der nächste Schicksalsschlag das mittelständische Unternehmen traf. Heike Gothe erkrankte an Brustkrebs. Eine blinde Mitarbeiterin ihres Gynäkologen ertastete den Tumor, den kein High-Tech-Gerät erkannt hatte.
Zunächst informierte sie nur ihre engsten Mitarbeiter, bevor sie sich in Behandlung begab. Chemotherapie und Bestrahlung, Hoffen und Bangen. Bis zum Frühjahr 2011 hielt Heike Gothe nur per Telefon und E-Mail Kontakt zum Betrieb. Dann, als der Krebs besiegt war, kehrte sie zurück.
Vierte Generation in Startlöchern
„Ich konnte mich auf jeden meiner 41 Mitarbeiter verlassen“, sagt sie. Davon profitiere gerade ein kleiner Mittelständler. Nicht von ungefähr wurde Gothe & Co. vor einigen Jahren als familienfreundlicher Betrieb ausgezeichnet.
Nach der Wirtschaftskrise 2008/2009, als die Mülheimer Kurzarbeit fuhren, sind die Auftragsbücher wieder prall gefüllt. „Seit mehreren Wochen arbeiten wir auch samstags“, sagt Gothe. Ein Schweißer, der als Leiharbeiter für die Firma arbeitete, ist inzwischen fest angestellt. In der aktuellen „sehr guten Auftragslage“ fällt es besonders ins Gewicht, dass die Probleme bei der Materialbeschaffung wachsen. In den Verbindungskästen setzt Gothe insbesondere Stahl, Edelstahl und Messing ein.
Geht es nach Heike Gothe, soll das Unternehmen auch lange nach dem 90. Geburtstag in Familienhand bleiben. Die vierte Generation steht schon in den Startlöchern.