Essen. Netzaktivisten machen Front gegen den Schönheitswahn der Modekette Abercrombie & Fitch. Ein Video ruft Nutzer dazu auf, A&F-Klamotten an Obdachlose zu verschenken. Viele fragen sich nun, ob das sinnvoller Protest gegen das Unternehmen ist - oder Obdachlose verhöhnt.
Die Modemarke Abercrombie & Fitch (A&F) hat ein Imageproblem. Auf mehreren Internetplattformen formiert sich Widerstand gegen die Firmenpolitik, wonach A&F vor allem schlanke, hübsche Menschen ansprechen will. Höhepunkt der Unmutsbekundungen ist ein Aufruf: Die Nutzer werden aufgefordert, Markenklamotten an Obdachlose zu spenden.
Hintergrund: A&F-Chef Mike Jeffries bekennt sich zu einer, nun ja, konsequenten Weltanschauung. In einem Interview äußerte er sich über das A&F-Geschäftsprinzip. "Es geht um Sex-Appeal. Deshalb arbeiten gut aussehende Leute in unseren Läden: Weil gut aussehende Leute andere gut aussehende Leute anziehen", so der 68-Jährige. "Wir richten uns an coole, gut aussehende Leute. Und an sonst niemanden."
Die Konfektionsgrößen enden bei L
Wen das Unternehmen als cool und gut aussehend erachtet, zeigt ein Blick auf die Konfektionsgrößen, die A&F anbietet. Die Größentabelle der Damen-Kollektion endet bei L. Hosen gibt es nur bis zur US-Größe 10, was in Deutschland Konfektionsgöße 38 entspricht. In der Herrenkollektion ist die Auswahl größer, Männershirts gibt es auch in XXL. Allerdings deshalb, damit die Muskelpakete von Bodybuildern oder Footballspielern besser zur Geltung kommen.
Mike Jeffries' Ansichten sind nicht neu. Schon 2006 erzählte er dem US-Portal "Salon", dass er keine Übergewichtigen in seinen Textilien sehen möchte. 2011 war bekannt geworden, dass Jeffries einem Darsteller der - eine recht prollige Clique begleitenden - MTV-Reality-Sendung "Jersey Shore" Geld dafür geboten hatte, damit der niemals Kleidung von A&F trägt - der Mann entsprach nicht Jeffries' Kunden-Anforderungen, der Firmenchef fürchtete Schäden fürs Image.
Kunden wollen Sachen an Obdachlose verschenken
Nun formiert sich Widerstand gegen Abercrombie & Fitch. Die Netzgemeinde ist empört. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter rufen mehrere Nutzer unter dem "Hashtag" FitchTheHomeless dazu auf, A&F-Klamotten an Obdachlose zu verschenken. Ein tausendfach aufgerufenes Youtube-Video zeigt einen Mann, der Abercrombie-Sachen in einem Sozialkaufhaus ersteht und sie dann ungebeten an Wohnungslose verteilt.
Jeder solle seinen Kleiderschrank nach A&F durchstöbern und die Hosen und Shirts an Bedürftige weitergeben. So könne man es Firmenchef Jeffries heimzahlen. "Schöne Idee gegen eine ekelhafte Firmenstrategie", kommentiert eine Bloggerin.
Der Wirtschaftsautor Robin Lewis sagte dem Portal "Business Insider": "Jeffries will nur schlanke und schöne Menschen in seinen Filialen. Wer seine Kleidung trägt, soll das Gefühl haben, zu den ,coolen Kids' zu gehören."
Die US-Schauspielerin Kirstie Alley (62) kündigte in einem Interview mit "Entertainment Tonight" an, sie werde nie bei A&F kaufen. "Mir haben 30 Jahre lang Menschen gesagt, wie ich auszusehen habe".
Die Internetkritik ist jedoch nicht unumstritten. Neben vielen lobenden Kommentaren finden sich auch Stimmen, die den Umgang mit Obdachlosen respektlos finden. Ein User schreibt unter dem Video, die Aktion mache Obdachlose lächerlich - nach dem Motto: "Schaut mal, die tragen hippe Klamotten." Ein anderer hält dagegen, der Aufruf verbinde zwei ehrenwerte Ziele: A&F bloß zu stellen und Bedürftigen zu helfen. "Von dieser Internetmoral können sie sich nichts kaufen."
Ob Abercrombie & Fitch diese Welle der Antipathie wirklich stört oder ob sie das Unternehmen sogar noch interessanter macht, bleibt abzuwarten. Viele Konkurrenten gerieten in Schwierigkeiten, weil sie Mode für alle machen wollten, so Jeffries in einem Interview. A&F nicht. "Sind wir elitär? Absolut!"