Essen. Die Industrie- und Handelskammern in NRW schlagen Alarm: Die Straßen in NRW können die immer weiter steigende Zahl an Autos nicht verkraften. Nötig wären Milliarden-Investitionen des Bundes, doch die sind nicht in Sicht. Ein wenig Linderung sollte nun ein Wettbewerb bringen.
Bund und Land machen dem Stau-Land NRW wenig Hoffnung auf Linderung. Da ergriffen die Autofahrer selbst die Initiative. Beim Wettbewerb „Stop and Go“ der Industrie- und Handelskammern gingen über 500 Vorschläge ein. Die besten sollen zeitnah umgesetzt werden, um den Verkehr im Land flüssiger zu machen.
Es wundert kaum, dass viele der eingegangenen Vorschläge die Lebensader des Ruhrgebiets, also die A 40, betrafen. So zeichnete die Wettbewerbsjury dann auch Markus Borg aus Herne mit dem ersten Preis aus. Der Berufspendler steht täglich bei Essen-Frillendorf im Stau, wo es sich aus Richtung Duisburg auf die A 52 regelmäßig knubbelt.
Borg überlegte sich, dass die mittlere Spur in eine sogenannte „Y-Abfahrt“ umfunktioniert werden könnte. damit der Verkehr zweispurig auf die A 52 fließen kann. Die Experten des Landesbetriebs Straßen.NRW prüften den Vorschlag und hielten ihn für machbar. In nächster Zeit soll die Neuregelung eingeführt werden.
Mehr Platz für Spurwechseler
Grünes Licht und den zweiten Preis gab es für Desiree Bernard aus Lünen: Sie regte an, im Autobahnkreuz Dortmund-Nordwest an der A 2 den Bereich für Spurwechseler in Richtung Bochum zu verlängern. Auf Platz 3 landete Klaus-Jürgen Kühn aus Bochum, der die Einfädelspur in Bochum-Werne am Einkaufszentrum Ruhr-Park verlängert sehen will, um Staus zu vermeiden.
Drei Maßnahmen, die für wenig Geld zeitnah zu realisieren sind und weniger Staus verheißen. Denn üppigere Mittel für Straßen, Schienen und Wasserwege sind von Bund und Land in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Das ist die ernüchternde Bilanz des Verkehrskongresses, zu dem die Industrie- und Handelskammern gestern rund 300 Unternehmer aus NRW auf die Zeche Zollverein in Essen eingeladen hatte.
Paul Bauwens-Adenauer, Präsident der IHK NRW, nahm kein Blatt vor den Mund: „Das vorhandene Verkehrsnetz in NRW kann weiter steigende Verkehrsleistungen nicht mehr verkraften.“ Er verwies auf Schätzungen, dass der Güterverkehr bis 2025 um 60 Prozent zunehme. Der Ausbau aller Verkehrsträger sei „dringend geboten“. Bauwens-Adenauer sieht aber auch die leeren Kassen der öffentlichen Hände und den „Widerstand aus der Bevölkerung“.
Bund hofft für die Zukunft auf billigeres Baumaterial
Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, nahm Autofahrern und Wirtschaft jede Illusion. Sieben Milliarden Euro müsse der Bund allein für seine zum Teil maroden 39 000 Brücken aufbringen. 7,5 Milliarden Euro seien für die Instandsetzung der bundeseigenen Straßen nötig. Bomba setzt auf die Materialforschung, die Straßenbau billiger machen könnte: Plomben gegen Schlaglöcher, offenporiger Asphalt und Fahrbahnen aus Beton.
„Wir leben von der Substanz“, räumte NRW-Verkehrsminister Harry Voigtsberger (SPD) ein. Er forderte, dass der Bund seine Mittel für die Infrastruktur „nach Bedarf und nicht nach Himmelsrichtungen“ verteile. Mehr Geld für NRW sei wünschenswert. Das dürfte den Spediteur Jens Fiege kaum trösten. Er verliert im Stau nach eigenen Angaben pro Stunde 40 bis 50 Euro. In der Bahn sieht er keine Alternative. Sie sei unflexibel. „Warenverkehr wird weiter auf der Straße stattfinden“, sagte er.