Hagen..
Handwerk, Industrie sowie Städte und Gemeinden lehnen das von Rot-Grün geplante Tariftreuegesetz in Nordrhein-Westfalen ab. Das Gesetz laste der Wirtschaft hohe Bürokratiekosten auf und sei für die Kommunen praktisch nicht umsetzbar, lautet die Kritik.
Dabei finden die Ziele des „Gesetzes über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbe-werb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Tariftreue- und Vergabegesetz - TVgG NRW)“ durchaus Anklang. Ob es nun um faire Löhne, den Kampf gegen Kinderarbeit, die Frauenförderung oder die Erfüllung von Umweltstandards geht - „die gesellschaftspolitischen Ziele des Gesetzes begrüßen wir ohne Vorbehalte“, sagt Martin Lehrer, Sprecher des Städte- und Gemeindebundes NRW, und auch Frank Wackers, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes Handwerk NRW, erklärt, die Ziele seien „gesellschaftspolitisch begrüßenswert“. Nur hätten sie eben nichts in einem Vergabegesetz zu suchen, meint Wackers.
Konkret schreibt das Tariftreue- und Vergabegesetz, dessen Entwurf heute in die Landtagsanhörung geht, ab einer Auftragshöhe von 20 000 Euro einen Mindestlohn von 8,62 Euro vor. Zudem verpflichtet es die Unternehmen dazu, Umweltstandards einzuhalten. Mittelständler mit mehr als 20 Beschäftigten müssen bei einem Beschaffungsauftrag von mehr als 50 000 Euro oder einer Bauleistung über 150 000 Euro die betriebliche Frauenförderung nachweisen. Städte und Gemeinden fürchten den „riesigen Kontrollaufwand, das ist äußerst schwer umsetzbar“. Sprecher Lehrer denkt dabei vor allem an den Baubereich mit seinen vielen Auftragsweitergaben an Subunternehmen - denn auch für die gelten Mindestlohn, Umweltstandards, Frauenförderung. Dass das Land eine neue Prüfbehörde plant, die über die Einhaltung der Regeln wachen soll, schürt gerade in Handwerk und Industrie die Sorge vor noch mehr Bürokratie.
Zweite Sorge der Kommunen: Die zahlreichen Nachweispflichten könnten viele Firmen davon abhalten, sich überhaupt um öffentliche Aufträge zu bewerben. Das bestätigt Herbert Schulte, Geschäftsführer des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft NRW: „Viele Unternehmen werden es sich zweimal überlegen, ob sich die Teilnahme an einer kleineren Ausschreibung für sie noch lohnt.“ Weniger Angebote aber führen zu höheren Preisen - „das wird am Ende teuer“, unkt Kommunalsprecher Lehrer. Profitieren würden letztlich Betriebe im kommunalen Besitz „auf Kosten der kleineren Betriebe“, warnt auch Schulte.
Und der Mindestlohn? „Mit dem Tariftreuegesetz haben wir die Chance, gegen Dumpinglöhne vorzugehen“, glaubt Jochen Marquardt vom DGB Hagen. Doch Handwerks-Mann Wackers widerspricht: „Wir haben doch in allen wichtigen Baubereichen Mindestlöhne über das Arbeitnehmerentsendegesetz“, sagt er und nennt: das Baugewerbe, das Dachdeckerhandwerk, das Elektrohandwerk, Maler und Lackierer und Gebäudereiniger. Und überall liege der Mindestlohn über den 8,62 Euro im Tariftreuegesetz.
Wackers plädiert dafür, sich in dem Gesetz mehr auf den Vergabegegenstand zu konzentrieren und da auf Qualitätsaspekte: So sollte nicht der billigste, sondern der wirtschaftlichste Anbieter den Zuschlag erhalten. Für den Kampf gegen die Kinderarbeit oder die Frauenförderung bräuchte man „maßgeschneiderte Gesetze“, sagt auch Kommunalsprecher Lehrer. Aber das ist eine andere Baustelle. Auf der zum Beispiel gerade Kristina Schröder und Ursula von der Leyen werkeln.