Berlin. Claus Weselsky polarisiert. Der mächtige Chef der Lokführergewerkschaft GDL legt mit seinem Streik Deutschland lahm - mal wieder. Was treibt ihn an?
Claus wer? Anfang 2014 haben viele die Frage so gestellt. Claus Weselsky war der Chef einer kleinen, frechen Spartengewerkschaft, von denen es – von den Piloten bis zu den Krankenhausärzten - mehr bissige in der Republik gibt. Doch seither lässt er das Land die Macht seiner 16 000 Lokführer spüren. Mit geballtem Willen zur Arbeitsniederlegung haben sie sieben Mal den Schienenverkehr gelähmt. Ab Dienstag wird zum achten Mal gestreikt. Jetzt lange sechs Tage.
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Weselsky, 55, ist der Harte unter den modernen Arbeiterführern. Er ist unnahbar und oft auch unberechenbar. Vor allem: Der geschiedene Familienvater mit dem präzise gestutzten Bart weiß sich zu inszenieren. „Ich brauche keine Teamarbeit“, hat er mal gesagt. Der große Bahnstreik ist eine One Man Show. Was Folgen hat: Er zieht den Hass auf sich, wie er jeden Streik-Tag, auch und gerade in den Foren des Internet, überkommt und eine dreiste Berichterstattung in Medien, die seiner Spur in der Leipziger Wohnstraße bis in den Hinterhof gefolgt sind.
"Weselsky führt einen heiligen Krieg"
Warum tut sich der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) das an? Warum spielt er die Rolle des Verhandlungsführers nicht so, wie es Verdi-Chef Frank Bsirske erfolgreich vorführt – mal als harter Hund, dann aber geschmeidig auf der Suche nach dem Kompromiss? „Er ist Egomane“, sagt sein Vorgänger Manfred Schell. „Er führt einen heiligen Krieg“. Der Chef der Konkurrenzgewerkschaft EVG, Alexander Kirchner, wirft Weselsky unverhohlen „Spaltungs“-Absichten und Machtgier vor. Im Bahntower am Potsdamer Platz in Berlin sagen sie: „Er ist perfide“.
Der gelernte Triebfahrzeugschlosser sieht das natürlich alles anders. Es geht ihm jetzt nicht nur um Lohnprozente oder Arbeitszeit-Verkürzungen, sondern um die künftige Rolle der GDL im großen Bahn-Konzern: Warum im Streit um den Einfluss seiner Gewerkschaft nachgeben? Dann könne man die GDL doch gleich auflösen. „Was ich tue, tue ich für das Zugpersonal im Land“, sächselt er in die Mikrofone. „Streik ist ein legitimes Mittel“.
Wer Weselsky widerspricht, wird entlassen
Claus Weselsky stammt aus Dresden. Seine Sozialisation ist die eines DDR-Bürgers. Doch anders als ihm Gegner dies vorwerfen, hat er seine „eiserne Disziplin“ nie in einer „sozialistischen Kaderschmiede“ gelernt. Er war nie in der SED, nie in der Einheitsgewerkschaft FDGB. Er ist erst 1990 in die aktive Gewerkschaftsarbeit eingestiegen, unter demokratischen Vorzeichen. Heute gehört der radikalste der Gewerkschaftsbosse der Christlich Demokratischen Union von Angela Merkel an.
Die knallharte Politik des Dresdners gegenüber der DB ist aber nicht nur dem Machtkampf um die Position der GDL in der Zukunft geschuldet. Sie liegt auch im autoritären Typ . Das sehen jedenfalls nicht wenige innerhalb seiner Organisation so, an deren Spitze Weselsky noch vor drei Jahren mit 90 Prozent Zustimmung wiedergewählt wurde. „Er lässt keinen Widerspruch zu“. Die Bezirksvorsitzenden sind alle handverlesen. Vorstandskollegen wie Vize Sven Grünwoldt werden einfach entlassen, wenn Claus Weselsky glaubt, sie stünden ihm und seiner Politik im Weg. Mühsam müssen sie sich dann durch Gerichtsurteile in die gewählten Positionen zurückklagen.
Weselskys Vorgänger hat sich offen gegen ihn gestellt
So kommt es, dass in der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer eine lebhafte innergewerkschaftliche Opposition am Werk ist. Die Widerstandszelle heißt „Initiative für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“. Sie unterhält ein eigenes Internetportal, auf dem in regelmäßigen Abständen der Rücktritt des Granden gefordert wird. Hier können sich die geschätzt 30 000 Mitglieder die laufenden Rechtsstreitigkeiten informieren, über die gerichtlich angeordnete Rückkehr von Funktionären, die Bewertung von Ergebnissen der DB-Aufsichtsratswahlen oder auch über die Meinung von Manfred. Schell. Der legendäre frühere Gewerkschaftschef hat sich längst deutlich gegen seinen Nachfolger positioniert.
Die Mehrheit der GDL’ler hält zum aktuellen.Chef. Das Ja zum unbefristeten Streik im laufenden Tarifkonflikt ist klar ausgefallen. Redet er trocken daher, lauschen sie ihm mit Andacht: Welche Gewerkschaft kann schon mit so wenig Aufwand den uralten Traum fast 1:1 umsetzen, „alle Räder stillstehen“ zu lassen?
Warnsignal für Weselsky und seine GDL
Doch völlig ohne Risiko ist Weselskys Lauf nicht. Die GDL gehört dem Deutschen Beamtenbund an, der in den Einkommenskonflikten des Öffentlichen Dienstes viel moderater agiert. Gemeinsam in einer Tarifunion mit Verdi kämpfen seine Funktionäre für bessere Arbeitsbedingungen in Bund, Ländern und Kommunen. Bisher hält dieses Bündnis. Beamtenbund-Chef Klaus Dauderstädt will es auch angesichts des Lokführerstreiks nicht aufs Spiel setzen und hat sich mehrfach kritisch zur Politik des Showtalents an der GDL-Spitze geäußert. Erst jetzt hat er ihn konterkariert. Eine Schlichtung sei doch vernünftig, sagte Dauderstädt der Süddeutschen Zeitung.
Was Weselsky als Warnsignal verstehen muss: Der Beamtenbund stützt die Streikkasse seiner Mitgliedsorganisationen.