Bochum.. Als BP-Europachef ist Michael Schmidt auch verantwortlich für Deutschlands größte Tankstellenkette Aral. Schmidt rechnet mit anhaltend hohen Benzinpreisen und weist den Vorwurf zurück, die Branche nutze die Reisewelle in den Ferien für Preiserhöhungen. Auch zum Biosprit E10 hat er eine klare Meinung.
Als Europa-Chef des britischen Mineralölkonzerns BP ist Michael Schmidt (52) einer der wichtigsten Energiemanager in Deutschland. Sein Büro hat er in Bochum, wo sich die deutsche BP-Verwaltung befindet. Zu BP gehört auch die Marke Aral. Das Unternehmen verfügt über rund 2500 Tankstellen in Deutschland, an denen rund 20.000 Beschäftigte arbeiten.
Schmidt rechnet mit anhaltend hohen Benzinpreisen und weist den Vorwurf zurück, die Branche nutze die Reisewelle in den Ferien für Preiserhöhungen: „Die Aussage, vor den Ferien gebe es Preiserhöhungen, ist so richtig wie falsch. Ja, es finden Preiserhöhungen statt, aber nicht etwa, weil Ferien sind, sondern weil es ständig Preisanhebungen gibt. Ob sich die Preise dann im Wettbewerb durchsetzen, ist eine andere Sache.“
Die von der Bundesregierung geplante Markttransparenzstelle wird nach Einschätzung des BP-Managers nicht dazu führen, dass die Preise für Benzin und Diesel an der Zapfsäule billiger werden. „Als Preisbremse wird die Markttransparenzstelle nicht funktionieren“, sagte Schmidt. „Ein solches Berichtssystem kann nicht einen Weltmarktpreis beeinflussen. Durch die neuen bürokratischen Pflichten entsteht uns sogar ein höherer Verwaltungsaufwand.“ Trotz der Konjunkturschwäche und sinkender Nachfrage nach Kraftstoff sei mit anhaltend hohen Benzinpreisen zu rechnen.
Herr Schmidt, die Benzinbranche hat keinen leichten Stand bei ihren Kunden. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Michael Schmidt: Es gibt eine Reihe von Mythen über unser Geschäft. Wir möchten dagegen die Fakten stellen.
Was ist der größte Mythos?
Schmidt: Dass wir an den Tankstellen Geld geradezu scheffeln.
Die großen Gewinne machen die Konzerne mit dem Ölfördergeschäft. Damit fließt das Geld auch in die Kasse des Aral-Mutterkonzerns BP.
Schmidt: Wir reden von unterschiedlichen Märkten, in denen Quersubventionierung übrigens kartellrechtlich verboten ist. Aral ist nicht mit der Förderung von Öl befasst, sondern mit dem Tankstellengeschäft – und das steht in Deutschland unter einem erheblichen Wettbewerbsdruck.
Das sieht das Bundeskartellamt anders.
Schmidt: Wir verdienen bei Aral am Benzin- und Dieselverkauf etwa einen Cent je Liter. Angesichts dessen ist es abwegig, von überhöhten Preisen zu sprechen. Bei einem Benzinpreis von 1,68 Euro fließen 93 Cent in die Staatskasse.
Es bleiben aber 75 Cent…
Schmidt: …mit denen auch die erheblichen Investitionen der Konzerne in die Förderung, Lagerung und den Transport des Öls getätigt werden. Wir kaufen an den internationalen Rohstoffbörsen ein und sind davon abhängig, wie sich dort die Preise entwickeln. Wenn sie steigen, müssen wir diese höheren Kosten an unsere Kunden weitergeben. Zudem fallen Kosten für die Verarbeitung des Rohöls und den Vertrieb an.
„Als Preisbremse wird die Markttransparenzstelle nicht funktionieren“
Die Bundesregierung möchte eine Markttransparenzstelle ins Leben rufen, um die Preise zu kontrollieren. Werden Benzin und Diesel dadurch an der Zapfsäule billiger?
Schmidt: Als Preisbremse wird die Markttransparenzstelle nicht funktionieren. Ein solches Berichtssystem kann nicht einen Weltmarktpreis beeinflussen. Durch die neuen bürokratischen Pflichten entsteht uns sogar ein höherer Verwaltungsaufwand.
Was halten Sie davon, die gesammelten Benzinpreis-Daten allen Autofahrern zur Verfügung zu stellen?
Schmidt: Damit habe ich kein Problem. Wer möchte, kann sich die Preise an den Aral-Tankstellen schon jetzt auf unserer Internetseite anschauen. Darüber hinaus sehe ich keinen Handlungsbedarf. Es gibt fair gehandelten Kaffee und Öko-Strom. Wir hätten gerne auch fairen Sprit. Das heißt, wir würden gerne unseren Tank füllen, ohne dass wir dabei autoritäre oder undemokratische Regime unterstützen.
Wie wäre es mit Benzin, das nur aus Norwegen kommt?
Schmidt (denkt lange nach): Das ist sehr schwierig, denn dafür ist die Nachfrage zu hoch. Der Großteil der Rohölreserven befindet sich nun einmal außerhalb der OECD, Tendenz steigend.
„Die Menschen fahren weniger Auto“
Spüren Sie als Unternehmen, dass die Menschen weniger tanken, weil die Spritpreise hoch sind?
Schmidt: Als der Benzinpreis im Mai auf einem Rekordniveau war, ist deutlich weniger Kraftstoff verbraucht worden. Die Menschen fahren weniger Auto, steigen häufiger aufs Fahrrad um und fahren vorsichtiger oder langsamer.
Die Konjunktur schwächelt. Die Nachfrage nach Kraftstoff lässt nach. Sind fallende Benzinpreise die Folge?
Schmidt: Entscheidend ist der Rohölpreis. Ich kann derzeit nicht erkennen, dass es hier signifikante Bewegungen nach unten gibt. Auch die Schwäche des Euros zum Dollar spielt eine Rolle und bewirkt eher, dass die Preise an der Zapfsäule auf einem hohen Niveau bleiben.
Viele Menschen haben den Eindruck, gerade zur Ferienreisezeit steigen die Preise.
Schmidt: Die Aussage, vor den Ferien gebe es Preiserhöhungen, ist so richtig wie falsch. Ja, es finden Preiserhöhungen statt, aber nicht etwa, weil Ferien sind, sondern weil es ständig Preisanhebungen gibt. Ob sich die Preise dann im Wettbewerb durchsetzen, ist eine andere Sache. Mein Eindruck ist, dass die Menschen zur Ferienzeit besonders preissensibel sind.
Wann ist die günstigste Tageszeit, um zu tanken?
Schmidt: Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Früher war es so, dass man am Wochenende keine großen Preisbewegungen hatte, weil die entsprechenden Abteilungen in den Unternehmen unbesetzt waren. Das ist aufgrund des starken Wettbewerbs Geschichte.
Welchen Einfluss haben die Tankstellenpächter?
Schmidt: Sie haben auch ein Interesse daran, dass die Preise möglichst günstig im Wettbewerb und damit attraktiv für die Autofahrer sind. Denn die Pächter bekommen in der Regel eine feste Provision pro Liter Kraftstoff, den sie verkaufen.
Sollten die Mineralölsteuern sinken, um Autofahrer zu entlasten?
Schmidt: Man kann es drehen und wenden, wie man will. Wenn die Decke zu kurz ist, frieren Sie entweder an den Füßen oder an den Schultern. Wir leben als Volkswirtschaft über unsere Verhältnisse. Wir geben mehr Geld aus, als wir haben. Wenn sich die Einnahmen des Staates durch die Energie- und die Mehrwertsteuer verringern würden, müsste dies an anderer Stelle ausgeglichen werden.
Viele Autofahrer machen immer noch einen Bogen um den Biosprit E10. Glauben Sie, dass sich E10 jemals durchsetzen wird?
Schmidt: Ich bin mir sicher, dass sich E10 durchsetzen wird. Derzeit tankt jeder fünfte Kunde, der Ottokraftstoff benötigt, die Sorte E10 – Tendenz leicht steigend. Über kurz oder lang wird sich die Vernunft durchsetzen. Viele Kunden könnten Geld sparen, außerdem ist bislang nicht bekannt, dass ein Motor durch E10 Schaden genommen hat. Wir gehen davon aus, dass E10 in absehbarer Zeit der am häufigsten getankte Otto-Kraftstoff sein wird.
BP-Europachef: „Wir haben aus Fehlern gelernt“
In Gelsenkirchen befindet sich eine Großraffinerie, an der BP beteiligt ist. Wie steht es um die Branche?
Schmidt: Grundsätzlich befinden sich die deutschen Raffinerien unter Druck. In Wilhelmshaven hat ein Wettbewerber bereits ein Werk geschlossen, ein anderer Standort wurde an einen Finanzinvestor verkauft und Anfang des Jahres hat ein Raffineriebetreiber Insolvenz anmelden müssen. In Indien und China sind riesige Raffinerien entstanden, die sich beinahe ausschließlich auf Exporte konzentrieren. Dadurch entstehen Überkapazitäten in Europa. Werksschließungen sind hier sehr wahrscheinlich.
Was heißt das für die Gelsenkirchener Raffinerie, die immerhin 1800 Menschen einen Job bietet?
Schmidt: Im Branchenvergleich ist unser Werk in Gelsenkirchen gut aufgestellt. Wir haben in erheblichem Maße investiert und sind effizienter geworden. Wir arbeiten aber natürlich daran, die Kosten weiter zu reduzieren und streben an, in diesem Jahr ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen.
Wie hat sich die Ölkatastrophe am Golf von Mexiko auf das Image von BP als Arbeitgeber ausgewirkt? Ist es schwierig, geeignete Fachkräfte für die Bochumer Hauptverwaltung zu finden?
Schmidt: Überhaupt nicht. Bei etwa 4900 Beschäftigten in Deutschland haben wir knapp 400 Auszubildende. Wir finden qualifizierte Mitarbeiter und spüren nicht, dass unser Image ein Problem darstellt. Unsere Bewerber haben kritische Fragen zur Katastrophe am Golf von Mexico gestellt. Viele wollten wissen, was wir aus dem Unfall gelernt haben. Dass wir gute Antworten hatten und vor allem aus Fehlern gelernt haben, das hat die Bewerber dann überzeugt.
Sie sind als einer der wenigen Manager in Deutschland vom Posten des Personalchefs zum Vorstandschef aufgerückt. Was macht einen guten Chef aus?
Schmidt: Ein Chef sollte vor allem ein guter Coach sein, denn er kann so gut wie nichts alleine im Unternehmen umsetzen. Ein Chef braucht eine gute Mannschaft, die mitzieht. Am Ende ist entscheidend, dass sich das Feuer, das in einem brennt, auf die Mitarbeiter überträgt.