Essen.. Manager und Politiker diskutierten beim WAZ-Forum auf der Zeche Zollverein über Zukunftsstrategien fürs Revier und betonen das riesige Potential der Region.
Mit den schwächelnden Stromriesen RWE und Eon, kriselnden Stadtwerken und Kommunen, die unter der wegfallenden Dividende und dem Kurseinbruch der Aktie von RWE leiden, war das Ruhrgebiet zuletzt das Krisenzentrum der Energiewende. Wie dieser Schalter umgelegt werden kann, wie das Revier zum Gewinner des klimapolitischen Wandels werden kann, war die große Frage beim WAZ-Forum Ruhrgebiet in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH (wmr) auf der Essener Zeche Zollverein. Und Politiker wie Energiemanager betonten tatsächlich mehr Chancen als Risiken für diese Region.
Dass man zu spät auf die Energiewende reagiert habe, mussten sich vor allem RWE und Eon, die in Essen sitzen, lange anhören. Umso radikaler steuern beide nun um. Eon hat seine Kraftwerkssparte abgespalten, RWE macht es umgekehrt und will seine grünen Zukunftsfelder an die Börse bringen. Nach Jahren des Haderns mit den politischen Weichenstellungen blicken beide Konzerne nun nach vorn.
RWE setzt auf erneuerbare Energien und dezentrale Netze
Auch Rolf-Martin Schmitz, designierter Chef der alten RWE AG nach vollzogener Aufspaltung. „Wir haben uns gefragt, wie ein Energieunternehmen in 30 Jahren aussieht und als Antwort erneuerbare Energien, dezentrale Netze und Vertrieb gefunden. Also haben wir diese Bereiche in eine neue Gesellschaft gepackt, die den Anlegern Spaß machen wird“, sagte er in der von WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock geleiteten Diskussion.
Die unter dem Namen Innogy geführte Tochter werde die Energie der Zukunft entwickeln. Von einem Börsengang werde aber auch der Mutterkonzern profitieren, sagte Schmitz, denn zur Ehrlichkeit gehöre: „Wir brauchen frisches Geld, um wieder investieren zu können.“ Er betonte, nur noch nach vorn zu blicken. „Es nutzt nichts, Fehler der Vergangenheit zu beklagen, egal, wer sie begangen hat. Wichtig ist nur: Was lernen wir daraus?“
NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) betonte, die Energiewende bleibe eine „riesige Herausforderung für Deutschland, für NRW im Besonderen und für das Ruhrgebiet noch einmal ganz besonders“. Auch in den Stadtwerken vernehme er „massive Diskussionen“ über neue Strategien, unter Druck stünden vor allem jene, die noch selbst konventionellen Strom erzeugen, mit dem zurzeit kaum noch Geld verdient werden könne.
„Das Ruhrgebiet muss viel besser werden"
Bochums Stadtwerke-Chef Dietmar Spohn, dessen Unternehmen verstärkt auch in erneuerbare Energien investiert, sagte, das Umsteuern fiele deutlich leichter, wenn die Stadtwerke nicht auf Anraten des Landes so viel Geld in heute unrentable Kohle- und Gaskraftwerke investiert hätten. „Das tut uns heute weh, da hört der Spaß auf“, sagte er.
Duin zeigte sich dennoch optimistisch, beim Einsparen von Kohlendioxid (CO2) werde das Ruhrgebiet Vorreiter sein. Dafür sorgen der NRW-Klimaschutzplan sowie viele einzelne Initiativen wie die „Innovation City“ und neue Projekte wie das vom Bund geförderte „Carbon2Chem“, mit dem industriell ausgestoßenes CO2 weiterverwertet werden soll, etwa in der Chemie.
Der im Emsland geborene Grünen-Energieexperte Reiner Priggen brachte als „guten Rat von außen“ mit, das Ruhrgebiet solle seine „riesigen Potenziale“ endlich nutzen. Das bezog er neben dem Rückstand bei Erneuerbaren auch auf die Energiethemen Verkehr, Gebäudesanierung und Digitalisierung. „Das Ruhrgebiet muss viel besser werden in der E-Mobilität und im Nahverkehr. Wir brauchen ein digitales Ticket von Duisburg bis Dortmund. Stattdessen haben wir 14 Verkehrsbetriebe und sogar noch verschiedene Spurbreiten“, sagte Priggen und nannte Berlin als Vorbild: „Dort gibt es nur einen Verkehrsbetrieb und eine Feuerwehr-Leitstelle.“
Ruhrgebiet als Zentrum der Energiewende entwickeln
Wirtschaftsförderer Rasmus C. Beck zeigte sich optimistisch, dass sich das Ruhrgebiet zum „Zentrum der Energiewende“ entwickeln werde, mit dezentralen Netzen, starken Fernwärmeschienen und Start-ups etwa für Umwelttechnik. Die Wandlungsfähigkeit der Region sei „tief in ihrer DNS verankert“, sagte der wmr-Geschäftsführer.
RWE-Manager Schmitz sagte, wer im Ruhrgebiet CO2 sparen wolle, solle weniger auf Windkraft und Sonnenenergie setzen, dafür sei die Region nicht eben prädestiniert. „Schauen Sie sich stattdessen Ihre Heizung an und denken mal über eine neue Umwälzpumpe nach“, sagte er. Auch in den unzähligen schlecht isolierten Mehrfamilienhäusern der Region schlummere ein riesiges Einsparpotenzial.