Essen.. Branchenführer Edeka hat den Abstand zur Konkurrenz 2015 weiter vergrößert. Das macht die Tengelmann-Übernahme noch brisanter.

Bereits vor der heftig umstrittenen, aber von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erlaubten Übernahme der Kaiser’s/Tengelmann-Supermärkte hat Edeka seine Marktführerschaft im deutschen Einzelhandel weiter ausgebaut. Wie eine am Freitag in der Lebensmittelzeitung veröffentlichte Studie des Marktforschungsunternehmens Trade Dimensions zeigt, hat der Branchenprimus seinen Abstand auf die Rewe-Gruppe in absoluten Zahlen erneut vergrößern können. Die ohnehin starke Konzentration im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel hat 2015 auch insgesamt weiter zugenommen.

Denn die größten Zuwächse gab es erneut in den Supermärkten der beiden führenden Unternehmen. Beim reinen Lebensmittelumsatz legten die Rewe-Märkte prozentual am stärksten zu – plus 3,7 Prozent. Edeka reichte aber ein Plus von 2,7 Prozent, um den Abstand in absoluten Zahlen auf fast 20 Milliarden Euro auszubauen. Die Hamburger haben im vergangenen Jahr 48,3 Milliarden Euro mit Lebensmitteln umgesetzt, Rewe 28,6 Milliarden.

Discounter wachsen langsamer

Auch Lidl (1,6 Prozent) sowie Aldi Süd (1,3 Prozent) und Aldi Nord (1,7 Prozent) haben weiter zugelegt, doch die führenden Discounter wachsen deutlich langsamer als die Vollsortimenter. Die Billigketten von Edeka und Rewe entwickelten sich besser: Netto und Penny wuchsen jeweils um 2,8 Prozent. Die Düsseldorfer Metro-Gruppe verlor mit ihren Groß- und den Real-Märkten 2,7 Prozent an Lebensmittel-Umsätzen.

Dass eine Handvoll Anbieter den deutschen Lebensmittelhandel weitgehend beherrscht, war der Hauptgrund des Bundeskartellamts, Edeka die Übernahme von Tengelmann zu verbieten. Dies, obwohl die Kaiser’s- und Tengelmann-Supermärkte mit weniger als zwei Milliarden Euro bundesweit kaum ins Gewicht fallen. Jedoch ist Tengelmann auch nur in drei Regionen vertreten: NRW, Berlin und dem Raum München. In der Hauptstadt ist Kaiser’s immerhin die Nummer drei – und Edeka dank der früheren Übernahme der Berliner Kette Reichelt schon jetzt der Konkurrenz weit enteilt.

Gabriel hat die Bedenken der Wettbewerbshüter nicht angezweifelt, sondern den Arbeitsplatzerhalt darüber gestellt. Damit beruhigte er die 16 000 Beschäftigten, brachte aber Kartellwächter und Ökonomen gegen sich auf. Der Chef der Monopolkommission, Daniel Zimmer, trat aus Protest sofort zurück. Dazu ließ Gabriel am Freitag mitteilen, er nehme dies „mit Bedauern zur Kenntnis“.

"Eminent politische Entscheidung"

Die Debatte über den Sinn einer Ministererlaubnis ist damit nicht beendet. Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sagte unserer Redaktion, er hätte es „niemals für möglich gehalten“, dass dem Marktführer in einer bereits derart konzentrierten Branche eine solche Übernahme erlaubt werden könne. Es handele sich um „eine eminent politische Entscheidung“ des SPD-Chefs. Gabriel habe im Wahlkampf nicht mitverantwortlich sein wollen für den Wegfall von Arbeitsplätzen.

Damit habe er aber dem Kartellrecht großen Schaden zugefügt: „Wenn schon in einem solch offensichtlichen Fall wie diesem das Votum der Wettbewerbshüter vom Minister außer Kraft gesetzt wird, muss man schon fragen, wofür wir dann überhaupt noch ein Kartellamt brauchen“, fragt Roeb.

Kartellamtschef Andreas Mundt gab sich dagegen betont gelassen. Sein Amt habe die Fusion aus rein wettbewerblichen Gründen abgelehnt, eine Ministererlaubnis sei selten und habe andere Gründe. Dass die Kartellwächter nicht selbst Arbeitsplätze gegen Wettbewerbsbeschränkungen aufrechnen müssen, sehen manche auch als Garant für die politische Unabhängigkeit der Bonner Behörde.