Essen. Die Rentner im Osten der Republik erhalten eine satte Erhöhung, im Westen gibt es dafür fast nichts. Einig sind sie sich die Ruheständler nur im Gefühl, von der Politik benachteiligt zu werden. Und die Parteien? Die reden alle von der Angleichung der Renten in Ost und West, meinen aber nicht dasselbe.

Wahlgeschenke verfangen nicht immer. Der Neid der Unbeschenkten übertrifft mitunter die Freude der Empfänger. Vielleicht gehen die Parteien deshalb mit ih­ren Plänen zur Angleichung der Ostrenten eher defensiv um. Denn in diesem Juli steigen die Ostrenten um satte 3,29 Prozent, im Westen dagegen um die Nichtigkeit von 0,25 Prozent.

Weil auch die Durchschnittsrenten im Osten über de­nen im alten Teil der Republik liegen, fühlen sich die 16 Millionen West-Rentner gegenüber den vier Millionen Ost-Rentnern benachteiligt. Die Ost-Rentner fühlen sich aber auch ungerecht behandelt, weil sie bei gleicher Beitragszeit weniger erhalten. Wo geht es den Rentnern denn nun besser? Warum gehen die im Westen diesmal fast leer aus? Emotionale Fragen, mathematische Ant­worten:

Wo sind die Renten höher?
Die Durchschnitts-Altersrenten sind in Ostdeutschland höher. Im Westen erhielten Männer 2012 im Schnitt 1005 Euro, Frauen 508 Euro – im Osten die Männer 1073 Euro, Frauen 730 Euro. Der simple Grund dafür liegt weit zurück: Durch die planwirtschaftliche Vollbeschäftigung in der DDR haben vor allem die Frauen in Ostdeutschland deutlich mehr Berufsjahre als West-Frauen, die in der Bundesrepublik weit weniger gearbeitet haben als die Männer.

Vergleicht man aber Renten, für die in Ost und West gleich lang gearbeitet wurde, liegen die Ostdeutschen noch zurück, weil sie im Vergleich weniger verdient haben. Die „Standardrente“ nach 45 Berufsjahren betrug 2012 im Westen 1263 Euro, im Osten 1121 Euro, sie lag damit nur bei 88 Prozent der Westrente. Mit der aktuellen Anhebung wird dieser Rückstand deutlich kleiner – seit diesem Juli erreichen die Ostrenten 91,5 Prozent des Westniveaus.

Warum steigen die Renten im Osten so stark, aber im Westen kaum?
Entscheidend für die Rentenanpassung ist die Lohnentwicklung. Sie fiel 2012 in Ost und West sehr un­terschiedlich aus: Im Westen stiegen die Löhne um 1,5 Prozent, im Osten um 4,32 Prozent. Weil die Löhne im Osten insgesamt aber nach wie vor unter Westniveau liegen, werden die Ost-Einkünfte für die Rentenberechnung zudem noch künstlich aufgewertet, aktuell um knapp 18 Prozent, um die Angleichung zu beschleunigen.

Dass im Westen selbst von den 1,5 Prozent kaum etwas übrig bleibt, liegt zudem an diversen Kürzungsfaktoren. Der „Nachhaltigkeitsfaktor“ berücksichtigt die Alterung der Gesellschaft. Verschlechtert sich das Verhältnis von berufstätigen Beitragszahlern und Rentnern, mindert das die Rentenerhöhung. Hinzu kommt der „Riesterfaktor“. Er stellt die Aufwendungen der Beschäftigten für ihre private Altersvorsorge den Rentnern in Rechnung. Beide Faktoren zusammen dämpfen dieses Jahr die Renten um einen Prozentpunkt.

Im Westen blieben also noch 0,5 Prozent übrig. Doch der dritte, der sogenannte „Nachholfaktor“ halbiert dieses Miniplus auch noch. Er holt nach, was in den vier Nullrunden im vergangenen Jahrzehnt versäumt wurde. Die Renten hätten damals eigentlich sinken müssen. Das hat die Politik mit ihrer „Rentengarantie“ verhindert, doch die Rentenversicherung holt sich das Geld schrittweise zurück. Im Osten hat sie diese Abschläge bereits reingeholt, im Westen noch nicht.

Was wollen die Parteien?
Mehr als 20 Jahre nach der Einheit ist die unterschiedliche Behandlung der Renten kaum mehr vermittelbar – bemängeln unisono Arbeitgeber und Gewerkschaften. Auch alle Parteien fordern eine Gleichbehandlung. Nur wie macht man das? Wer einmal die Rentenformel geändert hat, kann das schwer rückgängig machen.

Die aktuelle Koalition ließ deshalb die Finger davon, obwohl sich Union und FDP genau das in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hatten. Die FDP gibt der Union die Schuld dafür und wirft ihr vor, das Thema auf die lange Bank zu schieben.

Wie schafft man die Angleichung?
Alle Parteien reden von Angleichung, meinen aber nicht dasselbe. SPD und Union wollen, dass die Renten in Ost und West bis 2020 gleich viel wert sind. Darin steckt weniger Konzept als die Hoffnung, dass sich die Löhne bis dahin angleichen. Die Höherbewertung der Ost-Einkommen soll nachhelfen.

Grüne und FDP würden am liebsten sofort die Renten bundesweit gleich berechnen lassen und im Gegenzug die Höherbewertung der Beiträge im Osten abschaffen. Die Ostrenten würden dann zwar gleich behandelt, blieben aber wegen des nach wie vor deutlichen Lohnrückstands wohl noch auf längere Sicht unter Westniveau.