Essen. Die deutschen große Stahlunternehmen Arcelor Mittal, Thyssen-Krupp und Salzgitter stecken in der Krise. Schwache Geschäfte in der Automobil- und in der Baubranche, weltweite Überkapazitäten und nicht zuletzt die Eurokrise lassen Produktionszahlen einbrechen. Fragen und Antworten.
Wie hat sich die Stahlproduktion entwickelt?
Nach dem gewaltigen Produktionseinbruch im Jahr 2009, als die Finanz- und Bankenkrise auf ihrem Höhepunkt angelangt war, hat die Rohstahlerzeugung nicht wieder das Vorkrisenniveau erreicht. 2012 wurden in Deutschland 42,66 Millionen Tonnen Rohstahl gekocht, 2008 waren es noch 45,83. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl hat ihre Prognose für 2013 von 43 auf 42,2 Millionen Tonnen nach unten korrigiert.
Warum bricht die Nachfrage ein?
Insbesondere die von hohen Schulden geplagten Staaten Südosteuropas wie Spanien halten sich mit Bestellungen zurück. Die deutsche Autoindustrie als bedeutender Abnehmer von Stahl klagt über eine Absatzkrise in Europa. Und auch die Bauindustrie liegt in weiten Teilen brach.
Welche Konsequenzen hat der geringere Stahlverbrauch?
Es gibt Überkapazitäten auf dem Markt. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl schätzt diese in Europa auf 30 Millionen Tonnen. „Die Lage ist aber nicht so dramatisch, dass die Unternehmen sie nicht beherrschen könnten“, sagte Verbandspräsident Hans Jürgen Kerkhoff dieser Zeitung.
Allerdings verschärfen die Chinesen das Problem – gar mit staatlicher Unterstützung. Sie bauen moderne Stahlwerke, ohne die alten stillzulegen. Ihre Überkapazitäten versuchen die Chinesen in Europa zu verkaufen.
Wie reagiert Thyssen-Krupp auf die Stahlkrise?
Marktführer Thyssen-Krupp hat angekündigt, mehr als 2000 Stellen in der europäischen Stahl-Sparte sozialverträglich abzubauen. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2012/13 brach der Umsatz der Sparte Steel Europe um zwölf Prozent auf 7,3 Milliarden Euro ein. Der Auftragseingang nahm um elf Prozent auf ebenfalls 7,3 Milliarden Euro ab. Thyssen-Krupp fuhr die Stahlproduktion um drei Prozent auf 8,7 Millionen Tonnen zurück.
Was tun die Wettbewerber?
Der Weltmarktführer Arcelor Mittal, der mit Werken auch in Duisburg vertreten ist, hat Anfang August seine Prognose für 2013 nach unten korrigiert und rechnet damit, dass der europäische Stahlmarkt in diesem Jahr um bis zu 2,5 Prozent schrumpft. Das Unternehmen will vier Hochöfen im belgischen Lüttich und im französischen Florange abschalten.
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Auch die Nummer zwei der deutschen Stahlhersteller, Salzgitter, ist in Bedrängnis. In den ersten sechs Monaten verbuchte der norddeutsche Konzern, zu dem auch die Mannesmannröhren-Werke in Mülheim gehören, einen Verlust von mehr als 315 Millionen Euro. Zur Senkung der Kosten will Salzgitter nun mindestens 1500 Arbeitsplätze abbauen.
Wie wirkt sich die aktuelle Krise im Ruhrgebiet aus?
Thyssen-Krupp hat die Kurzarbeit in einigen Duisburger Betrieben im Februar beendet. In Mülheim hält sie an. Im Großrohrwerk Europipe und bei Salzgitter Mannesmann Grobblech, die beide zu Salzgitter gehören, arbeiten 450 Beschäftigte wegen der Auftragsflaute kurz.
Welche zusätzlichen Risiken belasten die Stahlbranche?
Im Oktober fällt die Entscheidung, wie stark die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz erhöht wird. Thyssen-Krupp gehört zu den energieintensiven Unternehmen, die entlastet werden. Nach Angaben von Konzernchef Heinrich Hiesinger zahlt Thyssen-Krupp derzeit 105 Millionen Euro EEG-Umlage pro Jahr. Müsste er die Umlage voll bezahlen, wären es 330 Millionen. Vor dem Hintergrund der politischen Diskussion um die Entlastung, die auch die EU-Kommission befeuert, unterstrich Hiesinger jüngst, dass bei Wegfall der Entlastung „die Stahlproduktion in Duisburg und an anderen Standorten gefährdet“ sei.