Essen. Während der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) viele S-Bahnen im Revier alle 15 statt alle 20 Minuten fahren lassen will, stemmen sich Verkehrsgesellschaften gegen die Änderung. Sie fürchten Folgekosten in Millionenhöhe. Der Fahrgastverband Pro Bahn findet ungewöhnlich heftige Worte für die Blockade.

Die Verkehrsgesellschaften Bogestra (Bochum, Gelsenkirchen, Herne und Witten), Evag (Essen) und die DSW21 (Dortmund) wollen bei der Verdichtung der S-Bahn-Takte von 20 auf 15 Minuten in den Stoßzeiten nicht mitziehen. Auch die Vestische Straßenbahn (Kreis Recklinghausen, Bottrop, Gelsenkirchen-Buer) steht dem VRR-Plan ablehnend gegenüber. Düsseldorf und Köln haben sich bereits abgekoppelt. In den Rheinstädten bleibt es auf jeden Fall beim 20-Minuten-Takt.

Das Argument der kommunalen Anbieter: Die neue Taktung, die den Nahverkehr im Ruhrgebiet ab 2019 gewaltig umkrempeln soll, würde das System der lokalen Fahrpläne sprengen und zöge in den Städten Folgekosten in Millionenhöhe nach sich. Dortmund etwa rechnet mit bis zu 22 zusätzlichen Bussen, die nötig wären, das kommunale Netz auf den VRR-Stand zu trimmen. Kostenpunkt: 5,3 Millionen Euro pro Jahr. Die Bogestra geht von mindestens 14 neuen Fahrzeugen und zusätzlichen Millionen aus.

Heftige Kritik von "Pro Bahn"

Blockadehaltung, Machtgehabe, Kirchturmdenken – die Kritik von "Pro Bahn"-Sprecher Lothar Ebbers fällt diesmal besonders heftig aus. Aus Sicht des Fahrgastverbandes steckt hinter dem sich anbahnenden Konflikt um die neue Taktung für die S-Bahnen an Rhein und Ruhr viel mehr als nur die Entscheidung über neue Fahrpläne.

Hierbei, so Ebbers, gehe es um die wahren Machtverhältnisse innerhalb des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR). Die Reaktion der lokalen Nahverkehrsunternehmen sei "eine Machtdemonstration der großen Betriebe", so Ebbers zu dieser Zeitung. "Die plustern sich auf." Die planerisch gute Arbeit des VRR werde in der Luft zerrissen. Ebbers sieht zudem "dringend nötige" Fahrplanverbesserungen im nördlichen Ruhrgebiet in Gefahr. Diese seien an das VRR-Konzept gekoppelt.

Flexibler auf Fahrgastaufkommen reagieren

Auslöser des Zwists zwischen Bogestra, Evag & Co auf der einen Seite und ihrem Dachverband auf der anderen ist das Vorhaben des VRR, die Taktzeiten stärker dem tatsächlichen Bedarf anzupassen. Der sei immerhin durch umfangreiche Studien ermittelt worden, versichert VRR-Sprecher Johannes Bachteler. Bisher nämlich fahren die meisten S-Bahnen im 20-Minuten-Takt – und zwar ganztägig. Künftig, so der VRR-Plan, sollen die wichtigsten S-Bahn-Strecken flexibler auf das Fahrgastaufkommen reagieren, das in den Stoßzeiten morgens und am Nachmittag nun mal besonders hoch sei. Die Verdichtung auf Abfahrtzeiten viermal in der Stunde würde die Kapazität der S-Bahnen in den Stoßzeiten um ein Drittel erhöhen, so Bachteler. Gedacht sei an eine engere Taktung jeweils drei Stunden am Morgen und am Nachmittag. Im Gegenzug soll in verkehrsärmeren Zeiten und auf weniger frequentierten Strecken wie der Linie Essen – Hattingen auf einen 30-Minuten-Takt umgestellt werden.

Neuregelung soll 2019 greifen

Betroffen von der Umstellung wären die Linie S1 zwischen Dortmund und Düsseldorf, sowie die Linien S2 (Dortmund-Gelsenkirchen-Duisburg), S3 (Oberhausen-Essen-Hattingen) S4 (Dortmund-Unna), S5 (Dortmund-Witten-Hagen) und S9 (Haltern-Gladbeck-Wuppertal).

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In Kraft treten soll der neue Fahrplan zwar erst in fünf Jahren. Die neuen Verträge mit den S-Bahn-Betreibern gelten ab 2019, müssen dann aber langfristig für die nächsten 15 Jahre geschlossen werden. Heißt: Einmal festgelegt, lässt sich am Fahrplan bis 2034 nicht mehr rütteln. Doch die Zeit drängt. Die EU-weite Neuausschreibung der Strecken muss spätestens 2015 erfolgen, eine baldige Einigung des VRR mit seinen 39 Mitgliedsunternehmen tut also Not. Mitte nächsten Jahres muss das neue Netz stehen. Für die Ausschreibung brauche man sehr konkrete Angaben, welche Strecke man wie befahren wolle, heißt es in ÖPNV-Kreisen.

Gefahr längerer Wartezeiten

Die Taktumstellung steht längst auf der Tagesordnung des VRR. Doch bisher zeichnet sich nicht einmal ein Kompromiss ab. Die Verkehrsbetriebe beharren auf dem 20-Minuten-Takt. "Andernfalls", so Norbert Konegen von der Vestischen Straßenbahn, "würden die Taktfolgen gebrochen und Wartezeiten erhöht." Die Gefahr sei, dass man die Vorteile durch eine engere Taktung der S-Bahnen auf der gesamten Strecke wieder einbüße. "Schlimmstenfalls dauert die Fahrt dann sogar länger."

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Beim VRR reagiert man zurückhaltend. "Wir setzen auf Konsens, nicht auf Konfrontation", so Sprecher Johannes Bachteler. Doch dass der neue Fahrplan gegen den Widerstand der großen Nahverkehrsunternehmen durchsetzbar ist, glaubt intern kaum jemand. Einzig die Duisburger Verkehrsgesellschaft DVG hält sich aus allem raus. "Wir sind nicht betroffen, weil wir kaum Verknüpfungspunkte mit dem S-Bahn-Netz haben", so DVG-Sprecherin Anamaria Preuss.