Essen. Im Jahr 2001 wurde der Discount-Bäcker Backwerk gegründet. 219 Partner zählt die Essener Franchise-Firma mittlerweile. Und will weiter wachsen – vor allem im Ausland. Sechs Millionen Brote, 75 Millionen Brötchen und 20 Millionen belegte Brötchen wird Backwerk 2012 verkaufen.

Eine kleine Ewigkeit braucht der Aufzug in dem unscheinbaren Bürohaus in der Nähe des Essener Kennedyplatzes, um bis in die fünfte Etage zu fahren. Hinter der Glastür kein Pomp, kein Protz, im Gegenteil: Empfang und Besprechungsraum sind nüchtern eingerichtet, auch sonst vermutet man nicht, dass hier ein Marktführer residiert: Backwerk, Deutschlands größter Discountbäcker.

Unternehmenschef Dirk Schneider verspätet sich ein wenig, Lieferantengespräche. „Das ist immer so kurz vor Jahreswechsel“, sagt der 46-Jährige. Backwerk will sich wandeln. Bereits Anfang 2011 haben die Essener damit begonnen, ihren fast 300 Läden einen modernen Anstrich zu geben, in drei Jahren sollen alle Niederlassungen auf das neue Konzept umgestellt sein. Mehr Theke, mehr Verkaufsregale, mehr Sitzplätze, vor allem aber: mehr Ambiente. „Mit Brot und Brötchen können Sie nicht mehr wachsen“, sagt Schneider. „Wachstum geht nur noch über Snacks.“ Und über Getränke. „Die Leute wollen verweilen, die Ware direkt vor Ort verzehren.“ Plätzchen, süß und mit Füllung, oder Pizza und Geflügelröllchen, Hauptsache herzhaft – und frisch zubereitet.

Lidl und Aldi rollen den Markt auf

Die Backwerk-Chefs Dr. Dirk Schneider und Hans Christian Limmer (v.l.) in der Vorzeigefiliale am Essener Porscheplatz. Foto: Matthias Graben / WAZ FotoPool
Die Backwerk-Chefs Dr. Dirk Schneider und Hans Christian Limmer (v.l.) in der Vorzeigefiliale am Essener Porscheplatz. Foto: Matthias Graben / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Der Markt ist im Umbruch. Discounter wie Lidl und Aldi stellen Backautomaten auf, wollen einen großes Stück vom Kuchen abhaben. „Die rollen gerade groß aus. Zurzeit wird eine Milliarde Euro Umsatz am Markt verschoben“, sagt Schneider. Sein Unternehmen verfolge das mit Spannung, eine Gefahr für Backwerk bestehe darin aber nicht. Für Handwerksbäcker könne es allerdings eng werden. „Überleben können die Handwerksbäcker nur als Premiumanbieter“, sagt Schneider.

2002 steigen der Unternehmer und sein Partner Hans Christian Limmer bei dem ein Jahr zuvor gegründeten Discount-Bäcker ein, übernehmen ihn nach kurzer Zeit komplett. Backwerk ist ein Franchise-Unternehmen. Die beiden verkaufen ihr Selbstbedienungs-Konzept an Existenzgründer. 219 Franchisepartner zählt das Essener Unternehmen mittlerweile, allein 118 Läden gibt es in Nordrhein-Westfalen. Wer bei Backwerk mitmachen, seinen eigenen Laden eröffnen möchte, muss sich der Prüfung des Unternehmens unterziehen – und Eigenkapital mitbringen. Den Standort sucht Backwerk aus, verhandelt die Mieten, ermittelt die Umsatzchancen, lernt die Unternehmer in der Schulungsfiliale in Dortmund an.

„Wir können nur Einzelhandel“

Schneider und Limmer produzieren auch nicht selber. „Wir können nur Einzelhandel“, sagt Schneider. Die Partner haben gemeinsam studiert, lange Jahre bei Roland Berger als Berater für den Einzelhandel gearbeitet. Das Brot, die Brötchen, die Plätzchen, all das kommt von industriellen Großbetrieben. „Fast alle sind langjährige Geschäftspartner“, sagt Schneider. Der eine könne Brot besser backen, der andere Plätzchen. „Sie finden niemanden, der alles gleichzeitig gut kann.“ Die meisten Produkte, die es in den Backwerken zu kaufen gebe, seien auch in der jeweiligen Region produziert worden. „Lange Transportwege lohnen sich nicht.“ Also keine Teigrohlinge aus China? „Nein“, sagt Schneider, „wenn Sie in einem unserer Ruhrgebietsläden ein Brot kaufen, dann kommt das mit großer Sicherheit aus Ratingen.“ Auch sei die Ware gentechnikfrei und jederzeit rückverfolgbar.

Die Backwaren werden fast fertig gebacken in den Filialen angeliefert. All das, war für die Frische wichtig sei, bekomme die Ware vor Ort, sagt Schneider. Und die Unternehmer entscheiden darüber, wie viel sie fertig backen. Dazu gehöre natürlich auch, den eigenen Umsatz genau zu beobachten, sagt Schneider. Wer das gut mache, das sogenannte Frischefenster der Ware kenne, sei natürlich erfolgreicher als andere Franchise-Partner – und könne mehr verdienen. Der Ausschuss soll bei gerade einmal zwei Prozent liegen, die Branche komme auf immerhin zehn Prozent.

Sechs Millionen Kunden im Monat

Zwar liege das unternehmerische Risiko bei den Franchise-Nehmern, aber: „Sie können sich sicher sein, dass wir niemanden allein lassen“, sagt Schneider. Das läge ja auch im Interesse von Backwerk. Kurzfristige Umsatzeinbußen – zum Beispiel durch Baustellen – würden durch den unternehmenseigenen Solidarfonds ausgeglichen, der sich durch Beiträge aller Franchise-Partner speise. Wenn sich Kundenströme dauerhaft zum Nachteil einer Filiale veränderten, müsse man allerdings auch über die Schließung eines Ladens nachdenken. Den Partnern werde dann ein anderer Standort angeboten, sagt Schneider.

Sechs Millionen Kunden zählt Backwerk jeden Monat. Es sollen noch mehr werden – vor allem im Ausland will das Unternehmen weiter wachsen. Schon jetzt macht es gut zehn Prozent seines Umsatzes außerhalb von Deutschland, vor allem in Österreich. Aber auch in den Niederlanden, in der Schweiz, in Slowenien ist Backwerk bereits vor Ort. Bis Ende 2014 sollen es 60 Auslandsfilialen sein. 163 Millionen Euro wird Backwerk in diesem Jahr umsetzen, zehn Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Sechs Millionen Brote, 75 Millionen Brötchen, 20 Millionen belegte Brötchen, 15 Millionen Kaffees – das ist die Bilanz eines Backwerk-Jahres.

Selbst in den Abendstunden ist der Laden am Porscheplatz noch gut gefüllt, schleppen die Kunden Brot und Brötchen aus der Vorzeigefiliale von Backwerk raus. Der Laden brummt – nur einen Steinwurf von der unscheinbaren Essener Konzernzentrale entfernt.