Wolfsburg. Volkswagen will wegen manipulierter Abgas-Werte rund fünf Millionen Fahrzeuge der Marke VW in die Werkstätten rufen. Kunden bekämen demnächst Post.

Nach der Ankündigung durch den neuen VW-Chef Matthias Müller hat Volkswagen seinen Aktionsplan zur Nachbesserung von Dieselwagen mit manipulierter Software offiziell präsentiert. Nach einer internen Auswertung sind von insgesamt elf Millionen in Frage kommenden Wagen weltweit rund fünf Millionen Fahrzeuge der Marke Volkswagen Pkw betroffen.

Die betroffenen Kunden würden in den nächsten Wochen darüber informiert, dass das Abgasverhalten ihres Wagens nachgebessert werden solle. Alle Fahrzeuge seien technisch sicher und fahrbereit, betonte VW. Volkswagen wolle den Behörden im Oktober Maßnahmen präsentieren, um die Abgasmanipulation zu beenden. "Wir arbeiten an einer technischen Lösung, die wir dem Kraftfahrt-Bundesamt fristgerecht präsentieren werden", sagte ein Sprecher. Die Flensburger Behörde hat Volkswagen bis zum 7. Oktober eine Frist gesetzt. Bis dahin sollen die Wolfsburger einen konkreten Plan vorlegen, wann ihre Fahrzeuge ohne Manipulationssoftware die Abgas-Vorgaben einhalten.

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Die betroffenen Fahrzeuge bestimmter Baujahre und Modelle - darunter der Golf sechs, der Passat der siebten Generation oder die erste Generation des Volkswagen Tiguan - sind mit Dieselmotoren des Typs EA 189 ausgestattet. Dass diese Modelle den Motor enthalten, hatte VW bereits am vergangenen Freitag bekanntgegeben. Der Autokonzern hatte mit einer Software Abgaswerte von Diesel-Fahrzeugen in den USA manipuliert. Weltweit sind 11 Millionen Autos betroffen, 2,8 Millionen in Deutschland.

Volkswagen-Chef Müller will Marken mehr Autonomie geben

Der neue Volkswagen -Chef Matthias Müller will den einzelnen Teilen des vom Abgasskandal erschütterten Wolfsburger Konzerns mehr Verantwortung geben. Die Hauptmarke VW solle künftig genauso unabhängig vom Konzern agieren wie Audi und Porsche, sagte Müller am Montagabend bei einer internen Veranstaltung vor rund 1000 VW-Managern in Wolfsburg. "Für mich ist die neue Konzernstruktur der erste Schritt und die Basis für eine Modernisierung von Volkswagen." Das gelte besonders für das Stammwerk in Wolfsburg, fügte der frühere Porsche-Chef hinzu. Wolfsburg ist mit rund 50.000 Beschäftigten in Produktion und Verwaltung der größte Standort des weltumspannenden Konzerns.

Derweil treibt Volkswagen die Aufklärung des Skandals voran, von dem weltweit bis zu elf Millionen Fahrzeuge betroffen sind. Müller sagte, die amerikanische Großkanzlei Jones Day sei beauftragt und werde nun mit der externen Untersuchung beginnen. "Vor uns liegen ein langer Weg und viel harte Arbeit." Dabei sei Sorgfalt wichtiger als Geschwindigkeit.

VW-Markenchef Herbert Diess sollte am Dienstagabend EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska in Brüssel wegen der Abgasmanipulationen Rede und Antwort zu stehen. "Unsere Botschaft wird klar sein: Wir erwarten, dass VW umfänglich mit den Behörden zusammenarbeitet und sich an die EU-Regeln hält", sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Die EU-Kommission wolle sich ein umfassendes Bild machen, bevor sie über weitere Maßnahmen wie schärfere Vorgaben entscheide. Auch die Bundesregierung verlangt von VW eine rasche Aufklärung. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums sagte, dass die eingesetzte VW-Untersuchungskommission auch Gespräche mit der amerikanischen Umweltbehörde führe. Diese hatte die Manipulationen publik gemacht. Am Mittwoch tagt Insidern zufolge erneut das VW-Aufsichtsratspräsidium, das die Aufklärung der Affäre koordiniert.

Autoexperte Dudenhöffer: Zu viel Macht in Wolfsburg konzentriert

Der Aufsichtsrat hatte Müller am Freitag zum Nachfolger für den in dem Abgasskandal zurückgetretenen Konzernchef Martin Winterkorn ernannt. Zugleich stellte das Gremium die Weichen für einen Konzernumbau. Dadurch sollen die Marken mehr Verantwortung für Vertrieb und Produktion in den einzelnen Regionen bekommen. Die zwölf Marken des Konzerns sollen nach technischen Prinzipien in vier Gruppen gebündelt werden.

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer erwartet, dass Müller eine Dachgesellschaft einrichten wird, unter der die einzelnen Marken aufgehängt werden. Dadurch könne der Konzern flexibler agieren. "Bei Volkswagen ist zuviel Macht in Wolfsburg konzentriert", sagte der Professor für Automobilwirtschaft. "Das funktioniert nicht, weil die Strukturen zementiert sind." Veränderungen würden zudem durch die starke Stellung des Betriebsrats und des Landes Niedersachsen im Aufsichtsrat behindert. Dadurch sei Volkswagen weniger flexibel als die Konkurrenz.

Müller will die einzelnen Marken stärker vom Konzernvorstand koordiniert lassen und ihnen zugleich mehr Verantwortung lassen. Das Geschäft in den USA, in dem der Abgasskandal begann, wird mit Mexiko und Kanada in der Region Nordamerika zusammengefasst. Die Leitung übernimmt Anfang November der bisherige Skoda-Chef Winfried Vahland. Er soll das Amerika-Geschäft zusammen mit US-Chef Michael Horn in die Spur bringen. Denn dort fährt VW wegen einer verfehlten Modellpolitik hinter der Konkurrenz her. Zugleich schafft Volkswagen für Amerika eine ähnliche Struktur wie für den weltgrößten Pkw-Markt in China. Dort hat mit Jochem Heizmann ein eigener Manager im Vorstand das Sagen.

Familien Porsche und Piech stehen zu Volkswagen

Müller sagte zudem, der Konzern stehe bei der Aufklärung des Abgasskandals nicht allein. Die Familien Porsche und Piech als Großaktionäre sowie das Land Niedersachsen stünden zu Volkswagen. In der nach Unternehmensangaben weltweit in rund 75 Standorte des Konzerns übertragenen Rede kündigte er an, dass Volkswagen den Behörden im Oktober technische Lösungen präsentieren werde, um die Manipulation von Abgaswerten zu beenden. Die betroffenen Kunden sollten bereits in den kommenden Tagen informiert werden, dass das Abgasverhalten ihrer Fahrzeuge in Kürze nachgebessert werden müsse. (dpa/rtr)