Leverkusen. Ein neuer Riss in der Brücke führt zu einer weiteren Totalsperrung. Schuld sind rund 150 schwere Lkw am Tag, die trotz Verbot die Brücke befahren.
NRW droht der nächste Verkehrsengpass. Die Leverkusener A 1-Rheinbrücke muss wohl noch im Laufe des Sommers zeitweise totalgesperrt werden, damit sie auf weitere Bauschäden untersucht werden kann. Ingenieure von Straßen.NRW haben erneut einen 40 Zentimeter langen Riss in einem der Tragseile geortet, der die Stabilität des fast 50 Jahre alten Bauwerks in Frage stellen könnte.
Was muss wie überprüft werden?
Die Brücke, die die am stärksten befahrene Autobahnüberquerung in ganz Deutschland ist, verfügt über acht Tragseile, die aus insgesamt 8000 einzelnen Seilen bestehen. Sie sind das Kernstück des ganzen Bauwerks. Sie sind alle zu checken, was nur bei äußerster Ruhe geht und deshalb die Totalsperrung erfordert. Risse mussten schon in den letzten Monaten mit Stahlplatten gesichert werden. Straßen.NRW spricht aber jetzt von einer „neuen Qualität“ des Schadens. Noch stehen weder Termin noch Dauer der Totalsperrung fest.
Welche Folgen kann das dauerhaft für den Verkehr in NRW haben?
Die Anfang der 60er Jahre gebaute A1-Brücke ist längst nicht mehr für den massiven Lkw-Verkehr geeignet, vor allem nach dem Anbau einer neuen Spur außen, die gerade durch Lkw genutzt wird. Dass es zum Kollaps im Süden von Nordrhein-Westfalen kommt, weil die Rheinbrücke auch durch Pkw nicht mehr belastet werden darf und am Ende ganz für den Verkehr geschlossen werden muss, ist bei der Entdeckung weiterer Schäden durchaus möglich.
Muss die Brücke ersetzt werden?
Ein 220 Millionen Euro teurer Neubau mit insgesamt 12 Spuren ist zwar in der Planung. Er soll aber erst nach 2020 stehen. Dazu kommt: Bürgerinitiativen machen schon gegen die Neubau-Planungen mobil und fordern den Bau eines Tunnels an dieser Stelle.
Wie kam es zum neuen Riss?
Brisant an der Entdeckung: Der Riss im Tragseil ist auf die illegale Benutzung der Fahrbahnen durch teilweise schwerste Lkw zurück zu führen. Anders als Pkw dürfen sie die angeschlagene Brücke seit Juni 2014 eigentlich nicht mehr benutzen. Doch alleine in diesem Juni haben 2600 Fahrer von Fahrzeugen über 3,5 Tonnen Gewicht die Sperre missachtet, gerundet 150 am Tag.- trotz Verbots-Beschilderung, dem Einbau eines Gewichts-Blitzers und einer Verdoppelung der Bußgelder auf 180 Euro.
Die Behörden verweisen auf Warnschilder auf beiden Rheinseiten, der Verteilung von Faltblättern in den nahe liegenden Raststätten, der Aufnahme der Sperrung in die Navi-Geräte und der Unmöglichkeit, den Brückenabschnitt bei Toll Collect zu buchen.
Wie reagiert die Politik?
Landesverkehrsminister Michael Groschek (SPD) spricht von skrupellosem Verhalten („das Maß ist voll“, sagte er der Rheinischen Post) und droht mit einem härteren Vorgehen gegen die Sünder. Auch die Polizei geht in vielen Fällen von „Vorsatz“ aus. Denn die Nutzung der Brücke bei Leverkusen spart den Spediteuren Geld. 16.000 bis 20.000 Lkw müssen täglich einen Umweg von 30 Kilometern fahren.
Stehen die Lkw-Fahrer so unter Druck? Oder gibt es noch andere Gründe für das Verhalten?
Generell hat sich der Druck auf die Fahrer erhöht, sagt Uwe Speckenwerth von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die viele Trucker vertritt. „Die Fahrer müssen eine Fracht nach der anderen übernehmen. Das ist wie eine Kette. Auch die Kunden machen ja diesen Druck“. Dem seien besonders Selbstständige ausgesetzt. Günter Isemeyer ist Sprecher von Verdi in NRW und macht als Kölner, der täglich den Autobahnabschnitt benutzen muss, eine zusätzliche und ganz persönliche Erfahrung: „Die Beschilderung reicht nicht aus. Man kann nicht nur auf wenigen Tafeln darauf hinweisen, dass die Brücke für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen gesperrt ist. Vor allem ausländische Fahrer können das schnell übersehen“.
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Zahlreiche Kommentare im Netz stützten seine Meinung: Eine bildliche Darstellung, wo die Sperrung beginnt, wo sie aufhört und wie die Umleitung zu erreichen ist, die fehle. Die könnte aber vor allem den Ortsunkundigen viel mehr weiter helfen als reine (deutsche) Schrift-Schilder.
Kommt es zu gefährlichen Situationen?
Das Leverkusener Kreuz ist in NRW zum Gefahren-Brennpunkt Nr. 1 geworden. Schwere Lkw setzen nicht selten auf der Brücke zurück oder nehmen erst im letzten Augenblick scharf die Kurve an der Abfahrt. Teilweise gibt es mehrere solcher Fälle an einem Tag. Vor allem ausländische Fahrer, die zu spät den Gewichtsblitzer sehen, treten auf die Bremse und legen den Rückwärtsgang ein, um nach 100 Meter Rückwärtsfahrt über den Standstreifen die schon verpasste Ausfahrt zu erreichen. 2015 hat ein Fahrer seine Lkw auf der Brücke sogar gewendet und war ein Stück als Geisterfahrer unterwegs, bevor er gestoppt werden konnte.
Überdies: Auf den Abbiegespuren aus Richtung Ost (Dortmund) und Westen (Kreuz Köln-West) auf der A1 bilden sich lange Staus. Die Zahl der schweren Unfälle hat nach Angaben der Kölner Polizei seit der Sperrung zugenommen und auch die Zahl der Verkehrstoten.