Frankfurt/Main. Aufruhr bei der Deutschen Bank: Ausgerechnet kurz vor dem Aktionärstreffen sorgt ein möglicher Abgang von Privatkundenchef Rainer Neske für Aufregung.

Nicht einmal vier Wochen hat die Ruhe bei der Deutsche Bank gehalten. Der Vorstand stehe "gemeinschaftlich" hinter der neuen Strategie, hatte Co-Chef Jürgen Fitschen Ende April betont. Doch kurz vor der Hauptversammlung (21.5.) reißen alte Gräben wieder auf: Privatkundenchef Rainer Neske wirft nach übereinstimmenden Presseberichten hin und verhandelt über eine Vertragsauflösung.

Seine Sparte muss mit dem Verkauf der Postbank und der beabsichtigten Schließung von bis zu 200 eigenen Filialen die größten Opfer bringen. Die Personalquerelen sind Wasser auf die Mühlen derer, die meinen, Deutschlands einziges Geldhaus von Weltrang werde von profitgierigen Investmentbankern regiert und verabschiede sich zusehends aus seinem Heimatmarkt.

Neske wollte nicht den Rotstift regieren lassen

Ein Abgang Neskes wäre konsequent: Der Diplom-Informatiker, der sein gesamtes Berufsleben seit 1990 bei der Deutschen Bank verbrachte, gilt als geradlinig. Und für seine Sparte hatte der 50-Jährige nun einmal völlig andere Pläne als die nun beschlossene Schrumpfkur.

Noch vor wenigen Monaten präsentierte er in einer Kaminrunde in Frankfurt stolz seine Vision einer Privatkundenbank im digitalen Zeitalter ("Next - Creating next generation banking"). Nicht der Rotstift dürfe regieren, entscheidend seien die Kundenbedürfnisse.

Und die Bonner Tochter Postbank, bei der die Deutsche Bank erst vor knapp sieben Jahren mit hohen Erwartungen eingestiegen war und für die der Branchenprimus letztlich gut sechs Milliarden Euro auf den Tisch legte, hätte Neske lieber noch enger eingebunden.

Jain und Fitschen wollen Kapitalmarktgeschäft schrumpfen

Just am Dienstag berichtete die Postbank über ein erfolgreiches erstes Quartal 2015: Der Konzerngewinn stieg zum Vorjahreszeitraum um zwölf Prozent auf 126 Millionen Euro. Postbank-Chef Frank Strauß wertete dies in einer Mitteilung als weiteren Beleg dafür, "dass wir über eine solide Geschäftsbasis verfügen und unsere Produkte in einem umkämpften Umfeld attraktiv sind".

Weggefährten schätzen Neske als Manager ohne Allüren. Geboren im katholischen Münster sei der Vater dreier Kinder in der Mitte der Gesellschaft verwurzelt. Und genau dort müsse die Deutsche Bank auch ihren Platz haben, heißt es im Neske-Lager. Im Vorstand galt Neske als Gegner eines zu starken Kapitalmarktgeschäfts - und war damit automatisch Kontrahent von Co-Chef Anshu Jain. Der verdiente als führender Investmentbanker über Jahre Milliarden für die Bank, doch mancher Deal der Sparte kommt die Bank heute teuer zu stehen.

Zwar wollen Jain und Fitschen auch das Kapitalmarktgeschäft schrumpfen. Doch trotz der Bekenntnisse zum Standort Deutschland ist klar: der Privatkundenbereich spielt künftig eine untergeordnete Rolle. Der Riese Deutsche Bank verabschiedet sich weitgehend aus dem Massengeschäft und legt den Fokus künftig vor allem auf Kunden, die viel Geld mitbringen und möglichst umfassend beraten werden wollen.

Neske zieht im Richtungsstreit den Kürzeren

Noch vor vier Jahren, als der Aufsichtsrat händeringend einen Nachfolger für Josef Ackermann an der Konzernspitze suchte, fiel auch Neskes Name. Dass Jain das Rennen machte, deuteten Beobachter auch als Beleg für das Übergewicht der vor allem in London und New York beheimateten Investmentbanker ("Anshus Army") im Machtgefüge der Bank. Auch Neske hat gewiss die Unterstützung seiner Truppen - im jüngsten Richtungsstreit zog er dennoch den Kürzeren.

Jain will von einem Zerwürfnis freilich nichts wissen. Das Verhältnis zwischen Investmentbankern und Privatkundenvertretern sei "exzellent", betonte der Co-Chef Ende April. Und auf die wieder lauter werdenden Fragen nach persönlichen Konsequenzen angesichts der nicht endenden Rechtsstreitigkeiten konterte Jain wiederholt: Rücktritt sei für ihn keine Option.

"Das Beste, was ich tun kann, ist, die Probleme der Bank zu lösen, sie neu aufzustellen und ihre Leistung zu optimieren", bekräftigte Jain gerade erst im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Zuvor hatte Aufsichtsratschef Paul Achleitner in der "Wirtschaftswoche" betont, dass niemand unersetzbar sei: "Wer ist das schon? Es geht um die Zukunft der Institution Deutsche Bank, nicht um die von Individuen." Während Jain seine Mission bei der Bank noch nicht am Ende sieht, scheint das Ende der Ära Neske gekommen. (dpa)