Münster. Mitten im Wirbel um einen möglichen Verkauf des Versicherungskonzerns Provinzial Nordwest an die Allianz ist Provinzial-Chef Ulrich Rüther in Münster angegriffen worden. Ein Vermummter stach Rüther einen Schraubenzieher in die Brust, als dieser auf dem Weg zu einer Betriebsversammlung war.

Der Chef des Versicherungskonzerns Provinzial Nordwest, Ulrich Rüther, ist nach Angaben des Betriebsrats von einem Vermummten angegriffen worden. Rüther sei mit einem Schraubenzieher in die Brust gestochen worden, sagte der Betriebsratsvorsitzende Albert Roer am Mittwoch in Münster. Rüther hätte am Vormittag an einer Betriebsversammlung der zweitgrößten öffentlichen Versicherung teilnehmen sollen, wo die Belegschaft über mögliche Verkaufsabsichten der Provinzial-Nordwest-Eigentümer informiert wurde. Der Vorfall habe sich am Morgen ereignet, als Rüther aus der Tiefgarage in sein Büro gehen wollte. Er werde jetzt im Krankenhaus behandelt.

Provinzial-Chef Ulrich Rüther ist am Mittwoch von einem Unbekannten angegriffen worden.
Provinzial-Chef Ulrich Rüther ist am Mittwoch von einem Unbekannten angegriffen worden. © Provinzial | Provinzial

Am Dienstag war bekannt geworden, dass der zweitgrößte Sparkassen-Versicherer in Deutschland verkauft werden könnte. Die Eigentümer der Provinzial Nordwest bestätigten erstmals ein "Interesse aus dem Versicherungslager" an dem Münsteraner Unternehmen. Laut Finanzkreisen könnte der Münchener Branchenprimus Allianz weit mehr als 2,25 Milliarden Euro für die Provinzial Nordwest auf den Tisch legen. Erste Gespräche hätten schon stattgefunden, sagten drei mit den Plänen vertraute Personen. Die Sparkassenverbände aus Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein sowie der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) nannten nach einer Aufsichtsratssitzung keine Namen des oder der Interessenten. Die Allianz wollte sich nicht äußern.

Verdi fordert Bekenntnis vom Aufsichtsrat

Bei den Sparkassen gibt es gewichtige Stimmen, sich für eine Versicherer-Fusion innerhalb des Sparkassen-Sektors einsetzen, um der Allianz kein Einfallstor ins Lager der elf öffentlichen Versicherer zu bieten. Selbst der westfälische Sparkassenverbands-Chef Rolf Gerlach, der federführend mit der Allianz verhandelt, hatte vor einem Jahr eine Konsolidierung im Sektor gefordert. Am deutlichsten hatte sich der LWL, dem neun Städte und 18 Kreise angehören, gegen einen Verkauf der Provinzial Nordwest ausgesprochen. Daran habe sich seit Freitag nichts geändert, sagte ein LWL-Sprecher in Münster. Der Verband, der 40 Prozent an der Provinzial Nordwest hält, könnte bei einem Verkauf aber mit einem Milliardenerlös rechnen, weit mehr als der Versicherer im Jahr an seine Eigentümer ausschüttet.

Die Gewerkschaft Verdi hatte vom Aufsichtsrat ein Bekenntnis gefordert, das Unternehmen nicht an die Allianz zu verkaufen. Doch dieses blieb aus. "Die Eigentümer wollen sehr zeitnah entscheiden, ob ein Verkauf überhaupt und wenn ja, zu welchen Bedingungen infrage kommt", hieß es in der Erklärung nach der Aufsichtsratssitzung. Laut "Financial Times Deutschland" wollen die Eigentümer noch vor Weihnachten entscheiden, ob sie verkaufen. Der Sparkassenverband Westfalen-Lippe hält weitere 40 Prozent an der Provinzial Nordwest, 18 Prozent liegen beim Sparkassenverband Schleswig-Holstein, zwei Prozent beim Ostdeutschen Sparkassenverband.

"Durch eine solche Entscheidung würde der gesamte Sparkassen-Finanzverbund in Frage gestellt", hatte Verdi-Vorstandsmitglied Beate Mensch vor einem Verkauf an die Allianz gewarnt. "Auch die weiteren öffentlichen Versicherer stünden unmittelbar zum Verkauf." Rund 6000 Arbeitsplätze bei der Provinzial stünden auf dem Spiel. Verdi hat die Belegschaften in Münster, Kiel und Hamburg zu Betriebsversammlungen für Mittwoch zusammengetrommelt, um gegen einen Verkauf zu protestieren. (rtr)