Essen.. Seit Jahren geht der Bier-Absatz in Deutschland zurück. Nun macht auch noch der Handel den Brauern das Leben schwer. Mit Sonderangeboten für die klassische 20er-Kiste will er Kunden in die Filalen locken. Die großen Premium-Anbieter haben es nicht leicht, ihre Preisvorstellungen durchzudrücken. Der Verbraucher hingegen profitiert.

Die deutschen Brauer hoffen auf einen Super-Sport-Sommer. Vor allem auf die Fußball-EM in Polen und in der Ukraine. Die Branche wünscht sich Grillwetter, Partystimmung, tolle Spiele. Im Jahr 2006 hat das schon einmal funktioniert, bei der Fußball-WM im eigenen Land. Damals haben die Deutschen ihren Gewohnheiten getrotzt – sie haben mehr Bier getrunken als im Jahr zuvor.

Deutschland ist Europas Bier-Nation Nummer eins. Es gibt 5000 Marken und 1340 Braustätten. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt derzeit bei etwa 107 Litern. Die Braubetriebe setzen 7,6 Milliarden Euro um. Doch die Hersteller kämpfen seit Jahrzehnten mit sinkenden Absätzen. 1976 trank der Deutsche statistisch gesehen noch 151 Liter Bier. 2010 verkauften die Brauer erstmals weniger als 100 Millionen Hektoliter, 800 Millionen Liter weniger als 2001. Ihr Umsatz sank im gleichen Zeitraum um 1,5 Milliarden Euro.

Ursache dafür ist die „soziodemografische Entwicklung“, wie Experten sie nennen. Eine älter werdende Gesellschaft trinkt weniger und anders. Die Zielgruppe der feierfreudigen 20- bis 35-Jährigen wird kleiner. Die Menschen leben gesünder. Wenn sie trinken, können sie aus einem riesigen Angebot wählen. Heute gibt es Prosecco in Dosen und Cocktails in Flaschen. Bierkneipen sterben, das Ausgehen soll ein Erlebnis sein.

Auch der Handel setzt den Brauern zu. Er zieht sie mit hinein in ihren gnadenlosen Preiskampf. Der Durchschnittspreis für einen 20er-Kasten Halbliter-Flaschen Pils hat im Getränke- und Lebensmittelhandel im vergangenen Jahr mit 10,01 Euro einen neuen Tiefstand erreicht, so die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Nur ein Drittel der Kästen ging zum Normalpreis an den Kunden. Der Rest war Teil von Sonderaktionen. Mit Bier-Angeboten sollen Kunden in die Filialen von Rewe, Edeka und Co. gelockt werden – damit sie dort auch bei anderen Waren zugreifen.

„Bier-Aktionen sind zum Kampfmittel des Handels geworden“

„Bier-Aktionen sind zum Kampfmittel des Handels geworden“, sagt GfK-Biermarktexperte Horst Zocher. Vor allem die deutschlandweit vertretenen Premium-Marken gerieten so unter Druck. Sie täten sich schwer, Preiserhöhungen zum Ausgleich steigender Rohstoff-, Lohn- und Energiekosten durchzusetzen. Der Handel könne pokern.

Der Großteil der Verbraucher profitiert von der Entwicklung. Er macht Schnäppchen, spart bis zu drei Euro pro Kiste und gewöhnt sich an günstige Premium-Marken. Anders als in der Gastronomie ist der Bierpreis im Handel seit der Jahrtausendwende mit wenigen Ausnahmen kaum gestiegen. Der Heimatmarkt ist für die deutschen Produzenten der wichtigste, die Bedeutung des Exports gering. „Die Anbieter können im Ausland nur mit Spezialbieren oder in der Nische erfolgreich sein, sie sind zu klein“, erklärt Marc-Oliver Huhnholz, Sprecher des Bundes deutscher Brauer.

Erschwerend kommt hinzu, dass der hiesige Markt an Überkapazitäten leidet. In Branchenkreisen ist von bis zu 30 Prozent die Rede. Trotzdem nehmen Produzenten keine Anlagen aus dem Markt. Viele Braustätten, errichtet in den renditestarken 1990er- Jahren, sind abgeschrieben und werfen noch immer Geld ab. Oder sie sind Teil einer Flächenstrategie – sie laufen weiter, um kurze Wege zu den Abnehmern zu sichern. „Der Markt müsste sich eigentlich weiter gesundschrumpfen“, sagt GfK-Experte Zocher.

Biermix als Reaktion

Dass die Zahl der Brauereien seit 2001 sogar gestiegen ist, liegt auch an den vielen Hausbrauereien, die ihren Markt „rund um den Schornstein haben“, so der Brauer-Bund. Diese, etwa Vormann aus Hagen mit einem Jahresausstoß von nur 5000 Hektolitern, punkten durch regionale Verwurzelung. Viele dieser Anbieter arbeiten trotz steigender Kosten weiterhin wirtschaftlich.

Auf absehbare Zeit, so Experten, wird die Konzentration auf dem Biermarkt aber weiter zunehmen. „Manch kleine und mittlere Anbieter sind auf der Kippe“, sagt Huhnholz. Viele Marken, auch im Revier, sind längst verschwunden oder Teil großer Braugruppen geworden.

Die Privatbrauer in NRW sehen sich ob der Größe ihres Marktes im Vorteil. „Wer hier keine Bedeutung hat, wird in Deutschland keine bekommen“, sagt Veltins-Sprecher Ulrich Biene. Doch er muss zugeben: „Die Brauer mussten und müssen weiter handeln.“ So habe Veltins früh erkannt, dass sich Investitionen in süffigere Biermischgetränke lohnten. Seit 2001 sind diese im Sortiment der Sauerländer. Heute tragen sie 20 Prozent zum Absatz bei.

Auch die Brauerei Moritz Fiege hat reagiert. Die Bochumer haben sich aufs Revier als Absatzmarkt konzentriert und mit dem Wechsel zur Bügelflasche eine Besonderheit gewagt. 2,5 Millionen Euro soll der Strategiewechsel gekostet haben. Obwohl Fiege gleichzeitig die Preise deutlich anhob, stieg der Umsatz wieder. Die Geschäftsführer Hugo und Jürgen Fiege haben sich dem Billigtrend bewusst entzogen. Regionale Marken können das, die Großen nicht.