Mülheim. Das neue Luftschiff der WDL wartet auf seine Testflüge Ende Juli. Sein Vorgänger war Opfer von Sturmtief Ela geworden. Die Branche geschrumpft. Es gibt nur noch zwei Betreiber in Deutschland.
Der russische Präsident Wladimir Putin lässt einen Zeppelin entwickeln, der 130 Meter lang ist und bis zu 200 Menschen befördern kann. So gigantisch sind die Pläne des Mülheimer Luftfahrtunternehmens Westdeutsche Luftwerbung (WDL) nicht. Und dennoch: Ab Ende Juli soll eines der Ruhrgebiets-Wahrzeichen wieder am Himmel zu sehen sein: das neue Prallluftschiff der WDL.
Es war am Pfingstmontag 2014, als Sturmtief Ela auch auf dem Gelände des Flughafens Essen/Mülheim wütete. Von der riesigen „Zigarre“ blieben nur noch Fetzen übrig. Mitten in der Saison stand die WDL ohne ihr Luftschiff da, obwohl schon Hunderte Tickets für Passagierflüge verkauft waren.
„Ein Schritt in die Zukunft“
Inhaberin Inge Bachmann und Geschäftsführerin Barbara Majerus standen vor der Entscheidung, eine alte Luftschiffhülle, die in Kisten verpackt ist, wiederzubeleben, oder in eine neue zu investieren. „Wir haben uns entschlossen, einen Schritt in die Zukunft zu gehen“, sagt Majerus. Nach einer Machbarkeitsstudie erhielt die Ballonfabrik Wörner in Augsburg den Auftrag, die 1,8 Tonnen schwere Hülle für das Luftschiff zu fertigen. „Für uns wurde ein ganz neues beschichtetes Polyester entwickelt, das 50 Prozent reißfester ist als unsere alte Hülle“, erklärt Majerus.
Viele Unternehmen, die sich mit dem Luftschiffbau beschäftigen, gibt es in Deutschland nicht mehr. Das Luftfahrtbundesamt kennt gerade einmal noch zwei Betreiber: die WDL in Mülheim und die Deutsche Zeppelin Reederei (DZR) in Friedrichshafen. Am Bodensee sind zwei Luftschiffe stationiert, die im Gegensatz zum Mülheimer Blimp innen über ein Gerüst aus Aluminium und Karbon verfügen. „Das macht das Luftschiff stabiler. Es kann wie ein Hubschrauber zentimetergenau landen“, sagt Maike Lanz, von der Deutschen Zeppelin Reederei. In jüngster Zeit hat das Unternehmen Geschäfte mit dem Reifenhersteller Goodyear abgeschlossen. Ein Luftschiff wurde bereits in die USA geliefert, ein zweites befindet sich gerade im Bau und das dritte soll 2017 fertig sein. Goodyear will mit den Luftschiffen große Sportereignisse filmen und vor allem Werbung für die eigene Marke machen.
Erstes Luftschiff hob 1972 ab
Den Himmel als unbegrenzte Reklamefläche hatte der 2012 verstorbene WDL-Gründer Theodor Wüllenkemper bereits Ende der 60-er Jahre entdeckt. Banner-Werbung, die kleine Flugzeuge hinter sich herzogen, schienen ihm damals wegen der Lärm- und Emissionsbelastung aus der Zeit gefallen zu sein. Der Pilot verfolgte den Plan, das Luftschiffgeschäft wiederzubeleben, das seit der Explosion der „Hindenburg“ des legendären Grafen Zeppelin am 6. Mai 1937 am Boden lag. Bei dem Unglück starben 36 Menschen, weil die Wasserstoff-Füllung in Brand geraten war. Wüllenkemper experimentierte stattdessen mit schwer entzündbarem Helium und war erfolgreich. Am 12. August 1972 brach in Mülheim das erste Prallluftschiff zu seinem Jungfernflug auf und machte Werbung für die Brauerei Wicküler.
Versicherungen zahlten den Schaden nicht
Das Luftschiffgeschäft lief auch international gut, bis nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001 die Flugsicherheitsvorschriften drastisch verschärft wurden. Werbepartner wurden rar. Mit ersten Testflügen, die für Ende Juli geplant sind, beginnt für die WDL nun eine neue Epoche. Die Zeit nach dem Sturmtief Ela hat die Crew genutzt, um die Kabine mit acht Sitzplätzen zu überarbeiten, die Technik zu modernisieren und ein Passagier-Informationssystem einzubauen. „Wir haben einen höheren siebenstelligen Betrag investiert“, sagt Geschäftsführerin Majerus. Für den Sturmschaden sei keine Versicherung aufgekommen.
LED-Technik, die von innen leuchtet, soll ab 2016 das schneeweiße Luftschiff auch in der Dunkelheit effektvoll in Szene setzen. „Wir haben Kontakt zu möglichen Werbepartnern“, sagt Majerus. An den Start wird der neue Blimp zunächst ohne Reklame gehen. Der Ticketverkauf für die Passagierflüge hat indes längst begonnen.