Duisburg.. Im Interview spricht Burkhard Landers, der Präsident der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK), über das Image von Duisburg nach der Loveparade-Katastrophe, Jobs der Zukunft und Probleme der Gegenwart.

Die Stromkosten sind für die Industrie und insbesondere die Stahlbranche ein wichtiger Posten im Budget. Gerät der Stahlstandort Duisburg durch steigende Energiepreise in Gefahr?

Landers: Die preiswerte und zuverlässige Versorgung mit Energie ist eine Schlüsselfrage für unsere Region. Bis zu einem Drittel des industriellen Stromverbrauchs von Nordrhein-Westfalen findet gewissermaßen vor unserer Haustür statt. Daher betrifft uns besonders, dass Deutschland nach Dänemark den zweithöchsten Strompreis in Europa hat. Das bringt Wettbewerbsnachteile mit sich.

Thyssen-Krupp hat die traditionsreiche Edelstahlsparte verkauft. Ist das ein Warnsignal?

Landers: Dass wir die Entwicklung sehr wachsam verfolgen, steht außer Frage. In Duisburg schlägt das Herz der europäischen Stahlindustrie. Der Herzschlag darf nicht aus dem Takt geraten. Zur Wirtschaft gehört allerdings auch die Veränderung. Nur mit Beharrungsvermögen lässt sich kein Standort sichern. Strukturwandel muss möglich sein.

In Duisburg und am Niederrhein wächst die Bedeutung der Logistikbranche. Sind hier die Jobs der Zukunft?

Landers: Die Ansiedlung des Internetversenders Amazon in Rheinberg war ein großer Erfolg für die Region. Aber wir sprechen hier nicht von einem Selbstläufer. Wir müssen etwas dafür tun, dass neue Jobs entstehen. Ein großes Problem ist der Mangel an Gewerbeflächen.

Scheitert die Ansiedlung neuer Unternehmen daran?

Landers: Gerade in Duisburg und im Kreis Wesel gibt es kaum noch große Flächen für Industrie und Gewerbe. Nur Brachflächen-Recycling reicht nicht aus, wir müssen auch Gelände nutzen, auf dem sich im Moment noch Felder und Wiesen befinden. Dafür benötigen wir auch die Akzeptanz der Bürger. Wir alle wollen eine intakte Natur, aber wenn wir neue Jobs schaffen wollen, brauchen wir geeignete Flächen.

Seit Jahren wird über große Bahn-Projekte in der Region diskutiert. Wann kommt denn die Betuwe-Linie, die neue Strecke von Emmerich nach Oberhausen?

Landers: Wenn alle Beteiligten ihr Wort halten, wird 2014 mit den Bauarbeiten begonnen.

Und wann wird der Eiserne Rhein, die Strecke zwischen Duisburg und Antwerpen, gebaut?

Landers: Da wage ich keine Prognose. Diese Frage ist ungleich schwieriger zu beantworten, weil für den Eisernen Rhein eine internationale Vereinbarung nötig ist. Hierfür brauchen wir die Unterstützung der Bundesregierung. Eine gute Verbindung für den Güterverkehr nach Antwerpen ist extrem wichtig. Nur über die Autobahn wird es nicht gehen. Sicher ist: Mit den Warenströmen kommen neue Arbeitsplätze in unsere Region – zum Beispiel in der Lagerwirtschaft, bei Speditionen und IT-Firmen.

Wie steht es um die Akzeptanz des Projekts Eiserner Rhein bei den Bürgern?

Landers: Dafür müssen und werden wir uns einsetzen. Wir plädieren ganz bewusst für eine neue Strecke entlang der Autobahn. Ein Neubau entlang der historischen Strecke würde vermutlich auf wenig Akzeptanz stoßen, da dieser Weg durch Naturschutzgebiete führt.

Müssten die Wasserwege in der Region noch mehr als bisher genutzt werden?

Landers: Mit Duisburg haben wir den größten Binnenhafen Europas. In diesem Umfeld bieten sich enorme Chancen für die Häfen am Niederrhein als Verteil- und Sortierstationen für Speditionen und Logistik-Unternehmen. Damit der Niederrhein als Drehscheibe für den Gütertransport noch wichtiger wird, ist eine Kooperation der Häfen unerlässlich.

Wo hakt es?

Landers: Jede Kommune muss einen Teil ihrer Souveränität aufgeben. Das ist kein leichter Prozess. Aber Wirtschaftsförderung sollte nicht an kommunalen Grenzen scheitern.

Der Bund plant, seinen Drittel-Anteil am Duisburger Hafen zu verkaufen. Ist das gut so?

Landers: Aus unserer Sicht ist entscheidend, dass die Unternehmen der Region, insbesondere die mittelständischen Firmen, weiterhin einen gesicherten Zugang zur Hafen-Infrastruktur haben. Dies wäre wohl gefährdet, wenn ein großer Logistik-Konzern den Zuschlag erhielte.

Was halten Sie eigentlich von den umstrittenen Gigalinern, Lkw-Giganten, die mehr als 25 Meter lang sind?

Landers: Ich halte nichts von Panikmache. Gigaliner sind eine sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden Lkw. Sie sind in etwa so lang wie unsere Gliederbusse, die wir aus den Städten kennen. Der Vorteil der Gigaliner ist, dass wir aus drei Lkw zwei machen können. Das vermeidet Abgase und spart Energie.

Sollte das Sonntagsfahrverbot für Lkw verschwinden?

Landers: Es wäre falsch, jeden Tag in der Woche zu kommerzialisieren. Das hat auch etwas mit unserer christlichen Tradition zu tun. Mindestens an einem Tag in der Woche sollten die Menschen zur Ruhe kommen.

Was heißt das für die Ladenöffnungszeiten?

Landers: Bis auf ganz wenige Ausnahmen sollten die Geschäfte am Sonntag geschlossen bleiben. Der Sonntag ist besonders schützenswert. Dieses Prinzip sollte auch für den Handel gelten.

Duisburg ist nach Gelsenkirchen die Stadt mit der zweithöchsten Arbeitslosenquote im Ruhrgebiet. Gleichzeitig ist von Fachkräftemangel die Rede. Wie passt das zusammen?

Landers: Natürlich müssen wir zunächst einmal unsere aktuellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt lösen. Dass wir auf einen Fachkräftemangel zusteuern, lässt sich allerdings jetzt schon an den rückläufigen Geburtenraten ablesen. Die Unternehmen sollten familienfreundlicher werden, damit sich mehr Frauen im Job entfalten können. Wir brauchen auch mehr Zuwanderung, um Fachkräfte nach Deutschland zu locken. Außerdem müssen wir uns mehr um die Menschen kümmern, die sich auf dem Arbeitsmarkt schwertun. Wir können es uns nicht leisten, dieses Potenzial an Arbeitskräften zu vernachlässigen.

Konkreter bitte.

Landers: Einen Ansatzpunkt gibt es schon in der Ausbildung. Die Berufsbezeichnung Schlosser zum Beispiel existiert heute nicht mehr, stattdessen gibt es den Mechatroniker. Dabei ist es wichtig, dass die Ausbildung nicht überladen wird. Wir brauchen Einstiegsmöglichkeiten für potenzielle Auszubildende, die eher praktisch begabt sind.

Die Loveparade-Katastrophe hat das Bild geprägt, das Menschen außerhalb der Stadt von Duisburg haben. Bekommt das auch die Wirtschaft der Region zu spüren?

Landers: Die Stadt hat einen Image-Schaden erlitten. Man musste sich fast schon dafür rechtfertigen, aus Duisburg zu kommen. Für eine so starke Stadt ist das einfach nicht angemessen. Andererseits war und ist zu spüren, wie die Bürgerschaft in Duisburg enger zusammenrückt.

Teilen Sie die Einschätzung, dass Oberbürgermeister Adolf Sauerland die Stadt spaltet? Hofft die Wirtschaft einen Neuanfang nach dem Abwahlverfahren?

Landers: Das ist ein demokratisches Verfahren. Es ist nicht meine Aufgabe, das zu kommentieren.