Berlin.. Steigen die Chancen, dass die Bürger eine kleine Steuersenkung als Ausgleich für die sogenannte kalte Progression erhalten? Unwahrscheinlich.
Auf eine Steuerentlastung für die Bürger scheint sich die große Koalition zu einigen. Bei ihrem Bundesparteitag in Köln beschließt die CDU, dass man noch in dieser Legislaturperiode mit der Abmilderung der sogenannten kalten Progression beginnt. „Die finanziellen Spielräume wollen wir uns erarbeiten“, sagte am Dienstag CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel. SPD-Kollege und Vizekanzler Sigmar Gabriel pflichtete gleich bei: Wenn die Bundesländer mitzögen, wolle die SPD die Bürger noch vor der Bundestagswahl 2017 entlasten. Alles klar also? Weit gefehlt. Hier ein Pfad durch den Dschungel der Finanzpolitik.
Kalte Progression: Dieser Punkt wäre relativ leicht zu bewältigen. Der Mechanismus funktioniert so: Erhalten Beschäftigte eine Lohnerhöhung, steigt automatisch auch etwas der Steuersatz. Teilweise haben sie dadurch real weniger Einkommen als vorher, weil ja auch die Preise steigen. Lange wird diskutiert, diesen Effekt auszugleichen, indem man den Steuertarif etwas senkt – bislang ohne Erfolg.
Kalte ProgressionBund, Länder und Gemeinden müsse auf Milliarden verzichten
Die Befürworter einer solchen Steuersenkung in Union und SPD erhalten nun neue Munition durch ein Gutachten des Forschungsinstituts Prognos. Um 14 Prozent in dieser Legislaturperiode steigt demnach die Einkommensteuerbelastung der Haushalte nur durch die Lohnerhöhungen.
Würden die Steuerzuwächse an die Bürger zurückgegeben, müssten Bund, Länder und Gemeinden auf einige Milliarden Euro verzichten. Diesen Umstand stellen nun SPD-Politiker in den Mittelpunkt. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte, dass man dann auch die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu regeln müsse. Ähnlich äußerte sich Gabriel: „Der Abbau der kalten Progression wird sicher abhängen von den Verhandlungen mit den Ländern.“ Soll heißen: Die Länder brauchen einen Ausgleich für die Kosten der Steuerreform.
Debatte über den Solidaritätszuschlag
Der Soli diente unter anderem zur Finanzierung des Aufbau Ost. Weil er eigentlich nur als vorübergehender Zuschlag gedacht war, wird 25 Jahre nach der Wiedervereinigung über seine Abschaffung oder Umwidmung diskutiert. Während die Milliarden bislang nur dem Bund zustehen, wollen künftig auch die Länder etwas abbekommen. Eine Lösung bestünde darin, den Solidaritätszuschlag in die Einkommenssteuer einzubauen. Die Ministerpräsidenten wollen morgen mit Merkel darüber reden.
Parallel dazu drängen vor allem Bayern, Baden-Württemberg und NRW, den Länderfinanzausgleich zu ändern. Die Regierungen der beiden Südländer wollen nicht länger rund 6,5 Milliarden Euro pro Jahr an ärmere Länder überweisen. NRW beansprucht einen größeren Teil des umverteilten Geldes, unter anderem für die Städte im Ruhrgebiet. Die östlichen Länder argumentieren dagegen, sie bräuchten weiter einige Milliarden an Unterstützung. Viele komplizierte Fragen sind zu lösen. Wer das Thema „kalte Progression“ mit diesem Komplex verknüpft, hat an einer schnellen Lösung wenig Interesse.