Essen. Die Wirtschaft sorgt sich um den Industriestandort Ruhrgebiet. Seit 1980 fielen zwei Drittel der Stellen weg. Furcht vor Aderlass wegen Corona.
Die Ruhrwirtschaft schlägt Alarm. „Wir sorgen uns um den Industriestandort Ruhrgebiet“, sagt Jutta Kruft-Lohrengel, Präsidentin der IHK zu Essen und spricht damit für alle fünf weiteren Industrie- und Handelskammern, die für die Region zuständig sind. Sie beobachten mit Argwohn, dass die Zahl der Industriebeschäftigten im Revier immer weiter sinkt, während sie NRW-weit seit 2010 kontinuierlich steigt. Wegen der Corona-Krise erwartet Kruft-Lohrengel einen weiteren „enormen Aderlass“.
Die Krise beim Industriekonzern Thyssenkrupp, die Flaute in der Stahlbranche und bei den Automobilzulieferern, Exportsorgen bei Maschinenbauern und in der Chemie – die Industrie steht unter Druck. Das macht sich natürlich auch bei den Industrie-Beschäftigtenzahlen bemerkbar, die lange vor Corona dramatisch eingebrochen sind. Gab es im Ruhrgebiet auf diesem Sektor im Jahr 1980 noch knapp 722.000 Arbeitsplätze, waren es 2019 nur noch gut 241.000. Das ist ein Rückgang um 66,6 Prozent. NRW-weit ging die Zahl der Industrie-Jobs dagegen nur um 43 Prozent zurück. Im Revier hat es die Städte Gelsenkirchen (- 82,5 Prozent) und Oberhausen (- 77,1 Prozent) am härtesten getroffen. Mit einem Minus von 56,1 Prozent kam Mülheim am glimpflichsten davon.
Die Essener IHK-Präsidentin Kruft-Lohrengel betont, dass NRW nach der Finanzkrise 2008/2009 auf dem industriellen Sektor „die Kurve kriegt“ und einen Zuwachs an Mitarbeitern verzeichnet. Das Ruhrgebiet aber nicht. Die Gesundheitswirtschaft ist im Revier gemessen an den Stellen längst an der Industrie vorbei gezogen. Dabei stehe fest: „Wir brauchen die Industrie!“
Wenige Tage vor der Kommunalwahl richten die Kammern deshalb einen leidenschaftlichen Appell an die Politik. „Wirtschaft braucht Raum. Wirtschaft braucht Fläche und zwar nicht nur reaktivierte Brachen oder kleinparzellige Gewerbegebiete, sondern auch Industriegebiete für arbeitsplatzintensive mittelständische Produktionsbetriebe, die es durchaus noch zahlreich im Ruhrgebiet gibt“, sagt Ralf Stoffels, Präsident der Südwestfälischen IHK zu Hagen, und mahnt bei den Kommunen zudem schnelle und flexible Genehmigungsverfahren an, damit sich Firmen nicht „zur Abwanderung gezwungen sehen“.