An Rhein und Ruhr.. Die letzte Zeche ist zu. Steinkohle wird immer noch verfeuert. Sie kommt oft aus Ländern, in denen Umweltschutz und Menschenrechte wenig gelten.


Es ist eine gewaltige Wunde, die tiefschwarz in der tropischen Landschaft auf der Halbinsel Guajira im Norden Kolumbiens klafft. Gewaltige Trucks mit meterhohen Reifen fahren durch diese Wüste, schier endlose Güterzüge transportieren das schwarze Gold zum Puerto Bolivar, dem Hafen, von wo aus es in die Welt exportiert wird.

Das ist El Cerréjon, einer der größten Steinkohletagebaue der Welt, und einer der Garanten dafür, dass in Deutschland die Lichter nicht ausgehen. Der Preis dafür ist hoch, warnen Umweltschützer und Menschenrechtler.

Monstertrucks transportieren die Kohle in El Cerréjon.
Monstertrucks transportieren die Kohle in El Cerréjon. © Unbekannt | picture alliance/ASSOCIATED PRESS

2018 war das Jahr, in dem in Deutschland die letzte Zeche schloss. Der Abschied von der heimischen Steinkohleförderung war tränenreich. Die Steinkohlekraftwerke aber laufen weiter. 12,8 Prozent der Stromproduktion stammten im vergangenen Jahr aus den mit Steinkohle befeuerten Kraftwerken. Betreiber wie RWE, die Steag oder Uniper importieren die Steinkohle aus der ganzen Welt. 40,1 Millionen Tonnen waren es laut Statistischem Bundesamt 2017. Deutschland ist Europas größter Steinkohleimporteur.




Mit Abstand wichtigster Lieferant ist Russland, woher mittlerweile deutlich mehr als ein Drittel der in Deutschland genutzten Steinkohle stammt. Aber auch Länder wie Kolumbien und Südafrika stehen auf der langen Liste der Importländer. Während die Importmenge aus Russland steigt, sinkt die aus Kolumbien und Südafrika seit Jahren. Auch, weil es heftige Kritik an den Produktionsbedingungen vor Ort gibt.

Das Hilfswerk Misereor kritisiert, der Steinkohleabbau in diesen Ländern verseuche Flüsse und Grundwasser mit Schwermetallen. Allein der Tagebau Cerréjon verbrauche täglich 17 Millionen Liter Wasser. Die Bewohner der Region müssten dagegen mit 0,7 Liter Wasser am Tag auskommen. Der Kohleabbau trage somit zu Unterernährung und zum Hungertod von Kindern bei. Zudem würden indigene Gemeinden teils unter brutalem Zwang umgesiedelt, um Platz für den Kohleabbau zu machen.

Schwerste Menschenrechtsverletzungen


Die niederländische Friedensorganisation Pax veröffentlichte 2014 einen aufsehenerregenden Bericht, in dem sie schwerste Menschenrechtsverletzungen in der kolumbianischen Region César anprangerte, wo etliche einheimische Menschenrechtler in den Nuller Jahren Opfer von Gewalt wurden, weil sie sich gegen Zwangsumsiedlungen für die Kohle aussprachen.

Seit etlichen Jahren kritisieren Organisationen wie Misereor oder Urgewald die Missstände. Die Kohleimporteure reagieren nur zögerlich auf die Vorwürfe, klagen sie. „Wir führen schon seit Jahren einen Dialog, es ist aber nicht viel passiert“, klagt Sebastian Rötters von Urgewald. Auch die von Importeuren im Jahr 2012 gegründete Initiative „Bettercoal“ habe bislang wenig verändert.

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Unternehmen wie Uniper und RWE verweisen auf diese Initiative, wenn sie nach ihrer Verantwortung für die Situation in den Kohleexportländern gefragt werden. „Uniper hält die Bettercoal-Initiative für einen hervorragenden Ansatz, um Kräfte zu bündeln und den Einfluss auf die Minenbetreiber zu erhöhen“, teilte eine Sprecherin des Düsseldorfer Energieversorgers (früher: Eon) auf Anfrage mit. Die Initiative überprüfe regelmäßig, ob die Minenbetreiber ethische, soziale und umweltbezogene Standards einhielten.




Uniper betreibt noch fünf Steinkohlekraftwerke und hat 2017 nach Unternehmensangaben neun Millionen Tonnen Steinkohle importiert, davon 2,7 Millionen aus Kolumbien und 0,2 Millionen Tonnen aus Südafrika. Im vergangenen Jahr war Uniper-Vorstandsmitglied Eckhardt Rümmler in Kolumbien, um vor Ort Gespräche mit Lieferanten, Nichtregierungsvertretern und Gemeindevertretern zu führen.

„Es gibt bei Uniper ein deutliches, ehrliches Bemühen, die Dinge in die richtige Richtung zu schieben“, lobt Sebastian Rötters.

Auch RWE beruft sich auf Bettercoal. Man nehme die Hinweise auf Missstände ernst, und habe deshalb die Initiative mitbegründet, so ein Unternehmenssprecher. RWE betreibt europaweit noch sechs Steinkohlekraftwerke und hat 2017 insgesamt sieben Millionen Tonnen Steinkohle importiert, davon stammten 0,8 Millionen Tonnen aus Kolumbien und 0,7 Millionen Tonnen aus Südafrika.

„RWE hat am wenigsten unternommen“

Einen Stopp der Importe aus diesen schwierigen Herkunftsländern schließt das Unternehmen aus. „RWE ist davon überzeugt, dass es besser ist, mit Kohleproduzenten gemeinsam an einer Verbesserung der Förderbedingungen vor Ort zu arbeiten, statt Lieferbeziehungen vollständig einzustellen. Denn erst dadurch kann sich an der Situation vor Ort etwas ändern.“

„RWE ist das Unternehmen, das am wenigsten unternommen hat“, kritisiert Rötters. Der Essener Energiekonzern beziehe seine Steinkohle noch immer ausschließlich über den Großhandel und habe deswegen keine wirkliche Übersicht oder Kontrolle über die Produzenten vor Ort. „Wenn Unternehmen menschenrechtliche Verantwortung übernehmen wollen, müssen sie sagen, wer ihre Lieferanten sind. Es braucht viel mehr Transparenz“, fordert Rötters.

Die Essener Steag hat diesen Weg gewählt. Der Kraftwerksbetreiber, der nach der Schließung des Kohlekraftwerks Lünen Ende 2018 noch sieben Kohleblöcke betreibt, hat nach Unternehmensangaben im vergangenen Jahr rund vier Millionen Tonne Kohle importiert. Davon kamen 15 Prozent aus Kolumbien. Nach dem Bekanntwerden des Pax-Berichtes aus dem Jahr 2014 beendete die Steag die Zusammenarbeit mit dem Minenbetreiber Drummond.

Die Steag bezieht ihre Steinkohle aus Kolumbien aus dem Tagebau Cerréjon. Genehmigte Betriebsfläche: 69.000 Hektar. Der größte Tagebau Deutschlands, Hambach, hat eine genehmigte Fläche von 8500 Hektar. „Cerréjon ist ein einschneidender Eingriff in die Natur und in die Lebensverhältnisse der Menschen vor Ort“, räumt Jörg Nierhaus ein.

Schlimme Zustände im russischen Kohlerevier

Er ist bei der Steag für die unternehmensinternen Richtlinien zuständig und immer wieder in Kolumbien, spricht mit Gewerkschaftsvertretern und Bewohnern der umliegenden Dörfer. „Wir wollen unsere Verantwortung nicht an Initiativen wie Bettercoal outsourcen“, sagt er.

Die Steag hat einen Direktvertrag mit den Betreibern des Tagebaus. „Wir sehen es als Verpflichtung des Unternehmens, uns in der Lieferkette zu engagieren.“ Bei Verstößen gegen Umwelt- und Menschenrechtsstandards können die Verträge gekündigt werden.

Zudem rückt nun auch Russland als mittlerweile für Deutschland wichtigster Steinkohleproduzent in den Fokus von deutschen Umweltschützern und Menschenrechtsorganisationen. Russische Umweltschützer berichten von schlimmen Zuständen im Kusnezker Becken, wo die Hälfte der russischen Kohle produziert wird.