Essen. RWE leidet unter der Energiewende. Kritiker fordern eine überzeugende Strategie des Managements. Bei der Hauptversammlung am 23. April dürfte es hoch hergehen.
RWE würde so gerne "vorweggehen", wie es in der Werbung heißt. Doch die Realität sieht anders aus. Die Energiewende hat den Stromriesen in die wohl tiefste Krise seiner fast 120-jährigen Geschichte gestürzt. Die Aktionäre werden langsam ungeduldig. Bei der Hauptversammlung an diesem Donnerstag dürfte viel Kritik laut werden. Denn vor allem die kommunalen Aktionäre brauchen die Dividendeneinnahmen dringend für ihre Haushalte. Kritiker vermissen eine überzeugende Strategie des Managements, um das Ruder endlich herum zu reißen.
Vorstandschef Peter Terium wird wohl erneut um Geduld bitten müssen. Schon bei der Vorlage der Jahresbilanz hatte er mehrfach betont, "Schritt für Schritt" vorgehen zu wollen. Das macht die Konkurrenz anders: Eon hat eine radikale Aufspaltung zwischen konventioneller Stromerzeugung und Erneuerbarer Energie angekündigt und damit viel Beifall gefunden. Das setzt RWE und seinen Chef unter erheblichem Druck - auch wenn Terium Anfang März mit der vorzeitigen Vertragsverlängerung bis 2021 vom Aufsichtsrat einen starken Vertrauensbeweis bekommen hat.
Zur falschen Zeit am falschen Ort
Bislang bemühen sich die Essener, das alte Geschäftsmodell der Stromversorger zu verteidigen und weiterhin von der Erzeugung bis zum Vertrieb alles aus einer Hand anzubieten. Statt eines radikalen Strategiewechsels à la Eon versucht RWE, gegen die Krise anzusparen. Doch es gelingt dem Management nicht, die Kosten so schnell zu drücken wie die Gewinne wegbrechen. Vor allem die sinkenden Preise für Strom im Großhandel machen dem Unternehmen zunehmend zu schaffen.
"Irgendwie schafft es der Konzern immer, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein", stellen die Analysten der französischen Großbank Société Générale in ihrer jüngsten Studie zum Energiemarkt fest. Das Aus beim Atomstrom, der Boom bei den Erneuerbaren, an dem RWE bisher vergleichsweise wenig beteiligt ist, und zuletzt auch noch die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geplante Einführung einer Klimaschutzabgabe für Kohlekraftwerke - RWE hat mit vielen Problemen zu kämpfen.
Kommunen pochen auf Dividende
Bei der Bilanz-Vorlage im März versuchte sich der Vorstand in Zweckoptimismus. Auch wenn das "Tal der Tränen" noch nicht durchschritten sei, habe der Konzern Mut gefasst, sagte Vorstandschef Terium. "Wir blicken nach vorn - voller Zuversicht." Die grimmigen Mienen des gesamten Vorstandes bei der Rede wollten dies aber so gar nicht untermauern.
Das Management kann oft nicht, wie es will. Viele verschiedene Interessen bremsen den Konzern. Seit langem ein Politikum bei RWE ist der große Einfluss von Städten und Kreisen überwiegend aus Nordrhein-Westfalen. Sie halten knapp ein Viertel der Aktien und mit vier von zehn überproportional viele Aufsichtsratsposten.
Bei möglichen Sparprogrammen muss der RWE-Vorstand deshalb in besonderem Maß auf Standortinteressen achten. Hinzu kommen mit Verdi und der IG BCE zwei konkurrierende Gewerkschaften im Kampf um Besitzstände aus goldenen Zeiten.
Die klammen Kommunen pochen auf ihre Dividenden. Schon die Halbierung der Auszahlung im vergangenen Jahr hatte ihnen schwer zu schaffen gemacht. In diesem Jahr soll die Dividende zumindest stabil bei einem Euro pro Aktie bleiben, auch wenn RWE sich das angesichts der bescheidenen Zukunftsaussichten und hoher Schulden kaum leisten kann.
Einfluss der Kommunen soll beschnitten werden
Auch eine mögliche Kapitalerhöhung ist schwer durchzusetzen. Denn die Kommunen würden in einem solchen Fall an Einfluss verlieren, da sie selbst kaum frisches Geld in den Konzern geben könnten. Zuletzt hatten etwa bereits Gerüchte über einen Einstieg von Scheichs aus Abu Dhabi für Grummeln bei den kommunalen Anteilseignern gesorgt.
Dem Vernehmen nach möchte Aufsichtsratschef Manfred Schneider den Einfluss der Kommunen künftig begrenzen und ihnen einen Platz im Kontrollgremium wegnehmen. Doch die wehren sich. In einem Positionspapier listen sie ihr Wirken für den Konzern auf. So böten sie Schutz vor Übernahmen, Unterstützung in politischen Diskussionen und den Zugang zu den für die Energiewende wichtigen Verteilnetzen in den Regionen. (dpa)