Koblenz.. Das Verfassungsgericht von Rheinland-Pfalz prüft die Rechtmäßigkeit des Kaufs von Steuerdaten-CDs. Erklären die Richter dies für unrechtmäßig, könnte dies auch auf NRW ausstrahlen, das diese Methode besonders häufig anwendet, um Steuersünder zu enttarnen.

Nordrhein-Westfalen hat wieder zugeschlagen. Ins Visier seiner Steuerfahnder sind 50 deutsche Kunden der Genfer Bank Leumi geraten. Ein Verdächtiger soll 80 Millionen Euro auf dem Schweizer Konto gebunkert haben, ohne daheim die nötige Steuer zu zahlen.

Es ist das achte Mal seit 2010, dass NRW-Behörden mit Hilfe einer gestohlenen und von Hehlern angebotenen CD Steuerhinterzieher überführen. Mit großem Erfolg: Bundesweit konnte der Staat drei Milliarden Euro nachkassieren.

Doch: Geklaut bleibt geklaut. Dürfen staatliche Stellen mit solchem Diebesgut arbeiten? Der Verfassungsgerichtshof von Rheinland-Pfalz checkt jetzt als erstes hohes Gericht juristisch ab, ob ein Kauf illegalen Materials gegen die Verfassung verstößt. Unter dem Aktenzeichen VGH B 26/13 prüfen der Vorsitzende Lars Brocker und seine acht Kollegen, ob der Deal rechtmäßig war, den die Mainzer Landesregierung über eine Silberscheibe der Bank Credit Suisse 2012 abgewickelt hat. Kaufpreis: 4,4 Millionen.

Kein Urteil zur Rechtmäßigkeit des Kaufs

„Bei diesem Verfahren geht es um die Frage des Ankaufs“, betont Brocker – und macht klar, dass Koblenz weitergehen will als das Bundesverfassungsgericht. Karlsruhe hatte 2010 geklärt, dass Daten von einer gestohlenen CD durchaus strafprozessuale Grundlage für eine Hausdurchsuchung sein können. Über die Rechtmäßigkeit des Kaufs selbst hatten die obersten Richter nicht geurteilt. Brocker fühlt sich deshalb an dieses Urteil „nicht gebunden“.

Der für Laien schwer erkennbare Unterschied kann Folgen haben. Hält das Koblenzer Gericht die Methode grundsätzlich für unzulässig, könnte dies bundesweit auch ein Ende der CD-Ankäufe bewirken.

Erstmals traut sich bei diesem Prozess ein ertappter Steuersünder weit aus der Deckung. Lutz Sch., Kaufmann aus Trier, ist der Kläger. Bei der Credit Suisse hatte er 700.000 Euro auf dem Konto gehabt, „die Alterssicherung“, wie sein Anwalt Gilbert Haufs-Brusberg sagt. Dem deutschen Staat hat Sch. hochgerechnet 60.000 Euro Steuern vorenthalten.

Hehler müssen "Häppchen" als Probe hinterlassen

Der Anwalt schießt mit schwerer Munition. Er wirft den Steuerbehörden vor: Eingriffe in Grundrechte. Die Beschaffung der Beweismittel auf nicht rechtmäßigem Weg. Den Verstoß gegen sechs Schweizer Strafparagrafen durch den deutschen Staat – und somit eine Verletzung des Völkerrechts. „Der Staat ist ein Räuber“, sagt er, die Ankündigungen weiterer Datenkäufe eine „Anstiftung“ für Datenhändler in der Schweiz, noch mehr Bankunterlagen zu stehlen. Haufs-Brusbergs Fazit: „Ein Staat darf sich nicht zum Straftäter prostituieren“.

Sigfried Jutzi, Abteilungsleiter im Mainzer Justizministerium, hält den Datenkauf wie die Ermittlungen gegen den Kaufmann für legitim. Die Landesbehörden müssten eine „gleichmäßige Besteuerung“ sicherstellen können – wäre doch sonst „der Ehrliche der Dumme“.

Erstmals hat mit Jutzi ein leitender Beamter Einblicke gegeben, wie solche Deals ablaufen. Er hat von den „Häppchen“ erzählt, die die Hehler als Probe überlassen müssen, bevor eine Behörde shoppen geht. „Das muss werthaltig sein.“ Juristisch spannend: Unterbleibt der Kauf, bleiben auch die Steuersünder ungeschoren, deren Namen auf den Proben auftauchen, hat der Abteilungsleiter eingeräumt. Entfällt hier einfach die Pflicht von Strafverfolgern, beim Bekanntwerden einer Straftat zu ermitteln? Nicht wenig Material wird übrigens von vorneherein zurückgewiesen: Allein Bayern habe 27 CDs dankend abgelehnt, heißt es am Rand des Verfahrens.

Steuerfahnder prüfen „Häppchen“

Als Finanzbehörde wisse man nicht, wie die Daten im Detail beschafft würden, sagt Jutzi: „Wir fragen nicht nach.“ Wichtig sei nur das Ergebnis: Geld für den Staat. 4,4 Millionen Kaufpreis gegen 500 Millionen Ertrag? Es sei ein guter Schnitt. Auch wegen der Ankäufe sei die Zahl der Selbstanzeigen von Steuersündern so kräftig gestiegen.

Einmal ist der Ministerialbeamte vorsichtig geworden – als die Richter nach den Grenzen der Ankäufe fragten. „Es ginge nicht, wenn man gezielt V-Leute in Schweizer Banken einschleusen würde“, sagt er. Und zweifelt auch, ob Daten verwertet werden könnten, die man zufällig in der Beute eines Banküberfalls ausfindig macht. Gibt es also Unterschiede zwischen direkt entwendeten Daten und denen, die nach einem Bankeinbruch offenbar werden? Bis zum Urteil des Koblenzer Verfassungsgerichts wird es dauern. Die Richter haben bisher nicht erkennen lassen, wie sie denken.