Berlin. Der Tarifstreit im öffentlichen Dienst könnte bald von Streiks begleitet werden. Geht es schon wieder los, fragen besorgte Kita-Eltern.
Viele Eltern werden sich mit einem Schaudern an das letzte Jahr erinnern. Das Personal in den Kitas streikte wochenlang und bereitete ihnen bei der Kinderbetreuung große Probleme. Diese unangenehme Situation könnte sich bald wiederholen.
So deutet es zumindest der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes (DBB) an. Erste Aktionen könne es schon vor der zweiten Runde der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst am 11. April geben, sagte DBB-Chef Klaus Dauderstädt der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, zwischen der zweiten und der dritten Runde am 28. April könnten sich die Warnstreiks noch verschärfen.
Verdi hält sich noch bedeckt
Doch diese Drohung gehört wohl eher zum üblichen Repertoire von Tarifverhandlungen. Dauderstädts Beamte dürfen zum Beispiel gar nicht streiken, und bei der federführenden Gewerkschaft Verdi wird der Ball diesbezüglich flach gehalten, auch wenn man sich Aktionen zu den Verhandlungsterminen vorstellen kann.
Ob die ersten Stiche aber gleich an so empfindlichen Stellen wie den Kitas angesetzt werden, erscheint eher unwahrscheinlich. Denn deren Beschäftigte haben während des langen Arbeitskampfes im vergangenen Jahr auch erhebliche Lohneinbußen hinnehmen müssen. Entsprechend gering ist bei den Erzieherinnen die Neigung zu weiteren Arbeitsniederlegungen.
2,1 Millionen Beschäftigte betroffen
Das Land Berlin wird von den Warnstreiks ohnehin kaum betroffen sein. „In unserem Mitgliedsbereich könnte davon allenfalls das Studentenwerk Berlin mit ihren Kindertagesstätten betroffen sein“, sagt die Sprecherin der Kommunalen Arbeitgeber in Berlin (KAV), Daniela Wagner. Die Angestellten des öffentlichen Dienstes in Berlin verfügen über einen eigenen Tarifvertrag im Tarifverbund der Länder (TDL). Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) dürfen ebenfalls nicht streiken, da die Einkommen in einem eigenen Tarifvertrag geregelt sind.
Arbeitgeber und Gewerkschaften verhandeln aktuell für gut 2,1 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen. Die Länder sind nicht dabei. Sie haben eine eigenständige Tarifgemeinschaft, die erst im kommenden Jahr wieder an den Verhandlungstisch sitzen muss.
Volumen von 5,6 Milliarden Euro
Zu den betroffenen Berufsgruppen gehören zum Beispiel Feuerwehrleute oder Bundespolizisten, Krankenschwestern und Erzieher, Busfahrer und die Saaldiener im Bundestag. Sie alle wollen von der guten wirtschaftlichen Entwicklung auf ein Stück profitieren. Entsprechend hoch fällt die Forderung der Arbeitnehmerseite aus. Sechs Prozent mehr Lohn werden verlangt. „Insgesamt haben die Forderungen ein Volumen von 5,6 Milliarden Euro“, rechnet der Verhandlungsführer der Kommunen, Thomas Böhle, vor, „das ist für uns nicht darstellbar.“ Böhle verweist auf die finanziell angespannte Haushaltslage vieler Städte und Gemeinden.
Bund und Kommunen wollen umgekehrt eine Reform der betrieblichen Altersvorsorge im öffentlichen Dienst erreichen. Leistungseinschnitte sind wiederum für Verdi-Chef Frank Bsirske nicht verhandelbar. So gingen beide Seiten nach dem ersten Abtasten in einem Potsdamer Tagungshotel ohne Annäherung auseinander.
Verdi toppt sogar die Metaller-Forderung
Mit der Forderung übertrifft Verdi diesmal sogar die sonst nicht bescheidenen Metaller, die 4,5 bis fünf Prozent herausholen wollen. Verdis Verhandlungsführer Wolfgang Pieper sieht dafür gute Gründe. „Die Lohnentwicklung ist der notwendige Schritt, die Konjunktur zu stabilisieren“, sagt er.
Der Ton zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ist in diesem Jahr vergleichsweise moderat. Auf eine spürbare Anhebung der Einkommen können sich die Angestellten in Bund und Kommunen ziemlich sicher freuen. In den Haushaltsplänen der Städte und Gemeinden sind durchschnittlich Personalkostensteigerungen von bis zu 2,5 Prozent verzeichnet. Realistisch ist aber ein größeres Plus. Bis Ende April wollen die Tarifparteien zu einer Einigung kommen.