Ruhrgebiet. Die Industrie- und Handelskammern fordern Ausstrahlungskraft für das Ruhrgebiet, mehr Gewerbeflächen und abgestimmte Baustellen.
Wenn sich die Ruhrkonferenz heute erstmals mit dem Mega-Thema Verkehr und Mobilität beschäftigt, haben die Experten auch die „Agenda.Ruhr“ der fünf Industrie- und Handelskammern der Region auf dem Tisch. Darin stellen die IHK ihre Forderungen zur Zukunft des Ruhrgebiets vor. „Gute Ideen und guter Wille allein reichen für ein zukunftsfähiges Ruhrgebiet nicht aus. Wir brauchen auch finanzielle Mittel und externe Impulse, wie zum Beispiel die Ansiedlung einer Bundes- oder Landeseinrichtung, um die Kompetenzen weiter zu stärken“, sagt Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Duisburg. Die Kammern schlagen unter anderem vor, die internationale Immobilienmesse Expo Real von München ins Revier zu holen.
„Treiber der steten Veränderung“
Wenn sich die sechs Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet gemeinsam äußern, hat ihr Wort Gewicht. Sie wollen „Treiber der steten Veränderung“ des Reviers sein, das sich immer wieder neu erfunden habe. Zur Ruhrkonferenz haben die IHKs deshalb einen ganzen Katalog konkreter Forderungen aufgestellt. Ihre „Agenda.Ruhr“ beginnt bei der chronischen Gewerbeflächennot im Revier, streift die Bildungspolitik und endet mit dem Appell, die Bewerbung der Rhein-Ruhr-Region um Olympia zu unterstützen.
„Die Wirtschaft im Ruhrgebiet hat einen Gestaltungsanspruch. Wir wollen, dass der Standort an Attraktivität gewinnt und mehr Ausstrahlungskraft entfaltet“, sagt Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK zu Duisburg, die in diesem Jahr die Federführerschaft unter den Ruhr-Kammern übernommen hat. „Deshalb unterstützen wir den Prozess der Ruhrkonferenz und bringen mit der Agenda.Ruhr der IHKs eigene Ideen ein.“
An die erste Stelle der Agenda haben die Kammern freilich die Flächennot gesetzt. Nach Berechnungen der Business Metropole Ruhr GmbH reicht der Vorrat gerade einmal noch fünf oder sechs Jahre. Städte wie Mülheim, Bottrop und Witten sind bereits nahezu ausverkauft. Die IHKs kritisieren, dass Firmen bereits auf Flächen außerhalb des Reviers oder gar Nordrhein-Westfalens ausweichen müssten. Deshalb fordern sie Ruhrkonferenz auf, dafür zu sorgen, dass Brachflächen zügig reaktiviert und neue Wirtschaftsflächen ausgewiesen werden.
Die Kammern sehen auch in „regionalen Kooperationsprojekten“ einen Weg, die hohe Nachfrage aus der Wirtschaft zu bedienen. Als Beispiel nennen sie das Gewerbegebiet „New Park“ im nördlichen Ruhrgebiet, an dessen Entwicklungsgesellschaft die Städte Datteln, Dortmund, Lünen, Olfen und der Kreis Recklinghausen sowie die IHK Nord Westfalen und Wirtschaftsförderungsgesellschaften beteiligt sind. Auch das Instrument des Flächentauschs wollen die IHKs stärker nutzen. Kammer-Manager Dietzfelbinger lässt durchblicken, dass die Geduld der Wirtschaft allmählich zu Ende geht. „Um in der Region neue Impulse setzen zu können, brauchen wir auch neue Gewerbeflächen. Das heißt: weniger Ruhrkulturromantik und mehr Innovationskultur“, fordert er.
Gas geben wollen die Kammern auch bei dem Mega-Thema Digitalisierung. Sie zitieren aus einer Umfrage des Städte- und Gemeindebundes, der zufolge 90 Prozent der Kommunen in Deutschland keine Strategie für den Ausbau zur „Smart City“ haben. Die IHKs fordern deshalb mehr Tempo beim Aufbau digitaler Behördenportale und die Einrichtung eines regionsübergreifenden Verkehrssteuerungs- und Baustellenmanagements. Um den Verkehrsproblemen in dem Ballungsraum mit seinen mehr als fünf Millionen Einwohnern Herr zu werden, soll das Ruhrgebiet aus Sicht der Kammern „Testraum für neue Mobilitäts- und Antriebskonzepte“ werden.
Die IHKs halten das Revier für prädestiniert, Standort für weitere Kompetenzzentren zu werden – darunter das vom Städte- und Gemeindebund sowie dem Verband Bitkom vorgeschlagene Kompetenzzentrum „Digitale Städte und Regionen“. Das autonom fahrende Binnenschiff könnte ebenso im Revier erprobt werden wie die Zukunftsthemen Künstliche Intelligenz und Blockchain. Auch ein von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) vorgeschlagenes Zentrum für Datensicherheit und Datenschutz unterstützen die Kammern. Ein 3D-Druck-Kompezentrum sollte überdies die Labors der Universität Duisburg-Essen, der Hochschule Kamp-Lintfort und der Hochschule Ruhr West in Bottrop stärken.
Ein Herzensanliegen ist den Kammern, Fachkräfte an die Region zu binden und neue zu gewinnen. „Ein großes Potenzial an Fachkräften findet sich in der Bevölkerungsgruppe mit Migrationshintergrund, die bereits im Ausland einen formalen Bildungsabschluss absolviert hat“, heißt es in der Agenda. Um Schülern den Übergang in den Beruf zu erleichtern, soll das Duisburger Schulmodell, das bereits erfolgreich laufe, auf das gesamte Ruhrgebiet ausgeweitet werden.
Gute Ideen und guter Wille allein reichen für ein zukunftsfähiges Ruhrgebiet nicht aus. Wir brauchen auch finanzielle Mittel und externe Impulse, wie zum Beispiel die Ansiedlung einer Bundes- oder Landeseinrichtung, um die Kompetenzen weiter zu stärken.“