Essen. Zufall oder wohl kalkuiert? Pünktlich zum Streik der Lokführer erscheint in der Mitarbeiterzeitung des Staatskonzerns ein Bericht über die Fortschritte von fahrerlosen S-Bahnen in Australien - an deren Entwicklung Ingenieure einer DB-Tochter beteiligt sind.
Die Bahn hat ihren streik-affinen Lokführern offensichtlich einen Warnschuss vor die Puffer verpasst. Zielgenau zur nächsten Runde des GDL-Ausstands veröffentlicht „DB Welt“, die Mitarbeiterzeitung des Staatskonzerns, einen großen Bericht über „Fahrerlose S-Bahnen für Sydney“.
Der Clou: „Erfahrene Ingenieure“ der DB-Tochter DB International sind beim Bau der technisch anspruchsvollen Vorortstrecken auf dem 5. Kontinent beteiligt, heißt es in dem Report. Mehr noch: Die Australier werden ihre Züge auch ohne Zugbegleiter rollen lassen.
Lokführer "unerlässlich" derzeit - noch
„Die deutschen Fachleute erbringen unterschiedliche Leistungen im Produktmanagement in den Bereichen Ausrüstungstechnik, Fahrzeuge und Objektmanagement“, berichtet DB Welt. „Darüber hinaus werden sie maßgeblich an der Inbetriebnahme der Strecke und den dazu notwendigen technischen Abnahmen mitwirken“. Ihr Engagement sei nötig, weil der Bundesstaat New South Wales technisches Neuland betrete.
Nur Zufall? Schon vor wenigen Wochen, kurz vor Streikbeginn, äußerte sich Bahn-Personalchef Ulrich Weber zum Thema, ob Lokführer-Arbeitsplätze irgendwann überflüssig werden. „Die Präsenz eines Lokführers ist für das Sicherheitsempfinden und den Betriebablauf derzeit unerlässlich“, räumte Weber ein – um dann hinzuzufügen: „Technologische Entwicklungen können wir nicht ignorieren“.
Rangierloks schon heute ferngesteuert
Die GDL erkennt die Brisanz. „Was ist, wenn es brennt? Wer übernimmt die Evakuierung?“ fragte ihr Chef Claus Weselsky sofort zurück. Tatsächlich sind fahrerlose Einsätze auch bei der DB denkbar: Mit Rangierloks, die heute schon ferngesteuert fahren, oder im Güterverkehr. Der Siemens-Konzern arbeitet an entsprechenden Technologien.
Führerlos Fahrgäste kutschiert in Deutschland bisher nur die Nürnberger U-Bahn - und tut das jetzt seit sechs Jahren ohne jeden Zwischenfall und vor allem sehr pünktlich. Ausdrücklich betonen die örtlichen Verkehrsbetriebe, wie unabhängig der automatische Einsatz von Schichtplänen mache und natürlich wie viel billiger die Beförderung ist.
In Riad und Sao Paolo ist das die Norm. Auch die zentrale U-Bahn-Linie der Pariser RATP ist ohne Fahrer unterwegs. Pendler und Touristen lieben den Stehplatz, an dem sie bei hohem Tempo durch die Frontscheibe in den dunklen Schacht gucken können.