Essen.. Vivawest ist das drittgrößte Wohnungsbauunternehmen in Deutschland. Konzernchef Robert Schmidt macht in unserem Interview höhere Energiekosten und Abgaben wie die kommunalen Grundsteuern für den Anstieg des Nebenkostenanteils um mehr als die Hälfte innerhalb der vergangenen zehn Jahre verantwortlich.

Mit über 90 000 Wohnungen im Ruhrgebiet ist das Revier der Schwerpunkt von Vivawest, dem drittgrößten deutschen Wohnungsbauunternehmen mit Sitz in Gelsenkirchen. Robert Schmidt (56) leitet den Konzern, der 2012 aus der Immobiliensparte von Evonik und der ebenso bergbaulich geprägten THS hervorgegangen ist. Mit ihm sprach Thomas Wels.

Herr Schmidt, das Mieterforum Ruhr zeigt sich im Großen und Ganzen zufrieden mit der neuen Eigentümerstruktur mit Großaktionären wie RAG-Stiftung, Evonik-Pensionsfonds und IGBCE. Sind Sie es auch?

Robert Schmidt: Wir sind auch sehr zufrieden. Denn für die gesunde Balance aus nachhaltiger Bestandsentwicklung und wirtschaftlicher Leistungskraft sind stabile Eigentümerverhältnisse unerlässlich. Unsere Eigentümer sind an einem langfristigen und sicheren Engagement interessiert, und wir als Unternehmen bekennen uns zu einem nachhaltigen Modell der Wohnungsbewirtschaftung.

Das heißt?

Schmidt: Wir konzentrieren uns gezielt auf Wert steigernde Instandhaltung sowie Investitionen in Modernisierung sowie Stadtteil- und Quartiersentwicklung. Da wo es passt, kaufen wir auch Bestände hinzu. Investitionstätigkeit ist unser Maß für nachhaltiges Handeln.

Auch die RAG-Stiftung will Erträge sehen. Bleibt von der Vivawest-Rendite von gut vier Prozent Spielraum für Investitionen?

Schmidt: Wir werden auch künftig 250 Millionen Euro für technische Ausgaben und Investitionen in den Bestand ausgeben. Oder 17 bis 18 Euro pro Quadratmeter.

Wie hoch fallen die Mieterhöhungen aus?

Schmidt: Wir haben in der Vergangenheit die Mieten jährlich um durchschnittlich zwei Prozent und damit in etwa auf dem Niveau der Inflationsrate erhöht. Wir haben kein Interesse an kurzfristiger Gewinnmaximierung.

Selbstlosigkeit in der Wirtschaft ist uns neu.

Schmidt: Nachhaltigkeit ist für Vivawest kein Lippenbekenntnis, sondern bildet den Grundpfeiler unseres Geschäftsmodells. Unsere Mieter wohnen durchschnittlich 14 bis 15 Jahre bei uns. Diese Treue ist viel Wert und deshalb wollen wir, dass die Menschen auch künftig lange bei Vivawest bleiben.

Die Mietpreisbremse trifft Sie also gar nicht?

Schmidt: Zwei Drittel unserer 125 000 Wohnungen befinden sich im Ruhrgebiet. In dieser Region gibt es ein ausreichendes Angebot an Wohnungen. Im Übrigen halte ich eine Mietpreisbremse für ordnungspolitisch falsch. Sie wird unsere Strategie nicht nachhaltig belasten.

Wieso das?

Schmidt: Bei der Nettokaltmiete steht niemand auf dem Gaspedal. Das Budget unserer Mieter fürs Wohnen wird durch die in den letzten Jahren drastisch gestiegenen Energie- und Betriebskosten belastet. Wir brauchen deshalb keine Mietpreisbremse, sondern eine Energie- und Nebenkostenbremse.

Zum Beispiel?

Schmidt: Die Energiekosten sind in den vergangenen zehn Jahren um 100 Prozent gestiegen, die Betriebskosten um teilweise 50 bis 70 Prozent. Ein Mieter musste vor zehn Jahren nur etwa ein Fünftel seiner Ausgaben fürs Wohnen für die Nebenkosten verwenden, heute ist es ein Drittel. Die Politik hat das Wohnen enorm verteuert, nicht die Wohnungswirtschaft. Deshalb appelliere ich an die künftige Koalition, die Energiewende sozialverträglich zu gestalten.

Und wieso steigen die Betriebskosten?

Schmidt: Das ist unter anderem ein Problem der unterfinanzierten Kommunen im Ruhrgebiet. Teilweise haben diese die Grundsteuern um bis zu hundert Prozent angehoben. Wir sind quasi das Inkassounternehmen der Kämmerer. Hinzu kommen die stark gestiegenen Gebühren für Wasser oder die Müllentsorgung.

Was schlagen Sie vor?

Schmidt: Den finanziell klammen Kommunen muss langfristig geholfen werden. Die kommunalen Mittel für die Unterkunft arbeitsloser Menschen müssen ausreichen, um den Betroffenen Zugang zum sozialen Wohnraum zu verschaffen.

Und dann gibt es Leerstand und die Quartiere verelenden.

Schmidt: Von Verelendung würde ich nicht reden, es gibt aber in einigen Quartieren Zeichen mangelnder Identifikation der Bewohner.

Wie sieht es mit der energetischen Modernisierung aus?

Schmidt: Wir modernisieren etwa 1500 Wohnungen im Jahr energetisch. Durchschnittlich sind unsere Wohnungen 65 Quadratmeter groß, die Modernisierung einer Wohnung kostet etwa 40 000 Euro.

Dann kommen exorbitante Mieterhöhungen, weil das gar nicht zu finanzieren ist.

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Schmidt: Nein. Durch die zinsbegünstigten Mittel der staatlichen Förderbank KfW können wir unsere Modernisierungsmaßnahmen solide finanzieren, und die Mieter müssen keine Angst haben, sich demnächst ihre Wohnung nicht mehr leisten zu können. Ich bin deshalb froh, dass die künftige Koalition das Förderprogramm aufstocken will.

Und die Mieterhöhung?

Schmidt: Ohne die KfW-Mittel müsste die Miete um 2,50 Euro pro Quadratmeter steigen, mit der Förderung ist es nur die Hälfte.

Das Mieterforum hatte sich geschockt gezeigt, dass Vivawest im Zuge der Veränderungen im Eigentümerkreis 650 Millionen Euro an Evonik ausschütten musste. Was änderte das an Ihrer Investitionsstrategie?

Schmidt: Nichts.

Investitionen in Neubauten oder Objekte außerhalb Ihres Kerngebietes wie etwa in München wird es aber nicht geben können.

Schmidt: Als eines der wenigen großen Wohnungsunternehmen bauen wir neu. Beispielhaft nenne ich hier unser Bauvorhaben Limbecker Höfe im Universitätsviertel Grüne Mitte in Essen, das wir in unmittelbarer Nachbarschaft zur geplanten neuen Zentrale der WAZ umsetzen.

Wo steht Vivawest in fünf Jahren, wird es Zukäufe oder Blockverkäufe in großem Stil geben?

Schmidt: Letzteres kann ich definitiv ausschließen. Wir konzentrieren uns auf NRW und das Ruhrgebiet. Hier sind unsere Wurzeln, zu den wir uns bekennen.