Frankfurt/München. Netflix-Chef Reed Hastings verspricht nicht weniger als “die Zukunft des Fernsehens“. Noch herrscht ein Preiskampf, doch das könnte sich ändern.

Pay TV, das war in Deutschland lange eigentlich nur ein Anbieter: Premiere. Für eine stattliche Abo-Gebühr konnte man sich eine Decoder-Box ins Wohnzimmer stellen, um Filme vor der Free-TV-Premiere und Fußballspiele live zu sehen. Auf anderen Fernsehern liefen da die "Lindenstraße" und die "100.000 Mark Show".

Viel Geld brachte das Geschäftsmodell aber nicht ein. Premiere und das Nachfolgerunternehmen Sky Deutschland schrieben bislang nur in einem Jahr schwarze Zahlen, nämlich als eine neue Geschäftsführung deutlich weniger Geld für das Programm ausgab. Pay-TV ist in Deutschland mit seinen vielen frei verfügbaren Fernsehsendern kein vielversprechendes Geschäftsmodell, könnte man meinen.

Video on Demand beginnt großes Wachstum

Doch inzwischen steigen die Umsätze mit Bezahlfernsehen hierzulande. Vor allem in einem Modell sehen die Anbieter großes Potenzial: Video on Demand, Fernsehen über das Internet in einer Art Online-Videothek, wann man will, wo man will und was man will.

"Die Zahlungsbereitschaft bei den Zuschauern wird sogar noch größer werden, weil jetzt die Angebote da sind", vermutet Medienforscher Klaus Goldhammer. Seine Firma Goldmedia berät TV-, Film- und Onlineanbieter in strategischen Fragen. Einer Goldmedia-Prognose aus dem vergangenen Jahr zufolge werden sich die Umsätze auf dem Video-On-Demand-Markt in Deutschland von 2014 bis 2019 nahezu verdreifachen.

Musik-Streaming-Dienst Spotify ist Vorbild

"Wir sehen eine Entwicklung von einer Gratismentalität hin zu einer Zahlungsbereitschaft", sagt Frank Giersberg vom Verband Privater Rundfunk- und Telemedien (VPRT), in dem auch Pay-TV-Anbieter organisiert sind. Der VPRT rechnet für 2014 mit 10 bis 12 Prozent Wachstum beim klassischen Pay-TV und rund 18 Prozent bei Video on Demand.

Der Musik-Streaming-Dienst Spotify sei der Vorreiter für den Erfolg bei den Kunden gewesen, sagt Goldhammer. "Da haben die Leute gelernt, dass man Musik auch ganz legal im Internet einfach abonnieren kann. Jetzt klappt das auch bei Filmen."

"Viel Luft für neue Konkurrenten gibt es kaum"

Als im September 2014 die US-Videoplattform Netflix in Deutschland startete, gab es einen großen Hype, obwohl andere Anbieter mit dem Konzept bereits auf dem Markt waren: Maxdome von ProSiebenSat.1, Amazon mit seinem Prime-Angebot, die Vivendi-Tochter Watchever. Auch Sky hat inzwischen eine Video-On-Demand-Plattform. Beginnt jetzt ein Verdrängungswettbewerb?

"Im Markt sind bereits viele Big Boys mit tiefen Taschen und eine Reihe von Spezialisten. Viel Luft für neue Konkurrenten gibt es da kaum", sagt Goldhammer. Im Moment gehe es für die Unternehmen darum, Reichweite aufzubauen, also möglichst viele Kunden als Abonnenten zu gewinnen.

Preise um die acht Euro im Monat

Und das funktioniere eben auch über den Preis, der bei den meisten gängigen Plattformen derzeit um acht Euro im Monat für das reguläre Abonnement beträgt. "Die Preise können kaum noch sinken. Mittelfristig ist eher zu erwarten, dass sie wieder steigen." Auch VPRT-Experte Giersberg meint: "Dass es günstiger wird, kann ich mir nicht vorstellen."

Nicht nur der Preis dürfte künftig den Wettbewerb bestimmen. Während die Portale und Sender lange nur Zweitverwerter von TV-Serien und Kinofilmen waren, produzieren die Pay-TV-Sender inzwischen auch selbst.

Netflix hat längst ein Milliarden-Budget

Sky Deutschland tritt bei der Krimireihe "100 Code" als Co-Produzent auf, die Dreharbeiten hatten im vergangenen Jahr begonnen. Netflix macht sich unter anderem mit der Polit-Serie "House of Cards" interessant. Die US-Plattform sicherte sich außerdem Comedy-Star Adam Sandler als Darsteller für mehrere Filme gesichert. Das Budget für Eigenproduktionen bei Netflix erreichte inzwischen 9,5 Milliarden Dollar.

Der Konkurrent Amazon heuerte Altstar Woody Allen für dessen erste Serie an, die 2016 exklusiv auf der Video-Plattform des Onlinehändlers starten soll, und plant auch ein Dutzend eigener Kinofilme pro Jahr.

"Ich glaube, dass wir deutlich mehr Eigenproduktionen im Pay-TV sehen werden", sagt auch Giersberg. "Die Bezahlanbieter entdecken das Geschäftsmodell gerade für sich."

Für die Zuschauer könnte das allerdings zu der Situation führen, dass man im Extremfall für zum Beispiel Lieblingsserien drei Pay-TV-Angebote abonniert haben muss. Und wenn die Anbieter dann an der Preisschraube drehen, kann es für Serienfans schmerzhaft werden. (dpa)