Hagen. Die Verschuldung der Privathaushalte ist trotz der Corona-Krise im vergangenen Jahr gesunken. Experten vermuten aber, dass der Schein trügt.

Die Zahl der überschuldeten Menschen in Deutschland hat laut Wirtschaftsauskunftei Creditreform 2021 gegenüber dem Vorjahr deutlich abgenommen.

Bundesweit gelten 6,16 Millionen Bundesbürger über 18 Jahre als überschuldet, rund 700.000 weniger als 2020. Deutschlandweit ist die Quote, gemessen an der erwachsenen Bevölkerung, auf 8,86 Prozent und damit erstmals seit 2004 unter 9 Prozent gesunken.

Kreis Olpe steht gut da

Während der Hochsauerlandkreis (8,82 Prozent) und der Kreis Siegen-Wittgenstein (8,69 Prozent) ungefähr auf diesem Durchschnittsniveau liegen, sind im Kreis Olpe mit 7,5 Prozent deutlich weniger Menschen verschuldet. Anders sieht dies in Hagen (15,55), dem Märkischen Kreis (11,61) und dem Ennepe-Ruhr-Kreis aus (10,03).

Die Experten der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zeigten sich am Mittwoch bei der Vorstellung der Auswertung am Firmensitz in Neuss selbst etwas überrascht: „Die positiven Zahlen sind in Anbetracht der lang anhaltenden Corona-Lage ein Überschuldungs-Paradoxon“, sagt Patrick-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform.

Haben die Experten ursprünglich lediglich die Kreditwürdigkeit von Unternehmen im Blick gehabt, beobachten sie seit mehr als drei Jahrzehnten auch die Bonität von Privatpersonen.

Die am Mittwoch vorgelegten Zahlen werden in dieser dezidierten Form seit 2004 erhoben. Creditreform berücksichtigt bei der Bewertung und Betrachtung auch gesellschaftliche Veränderungen und passt die Methoden an. Auch weil das aktuelle Bild möglicherweise in der Mittel- und Langfristbetrachtung täuscht. Die staatlichen Unterstützungsleistungen wie Kurzarbeitergeld und indirekt auch die Überbrückungshilfen, die Unternehmen in der Krise geholfen und so Arbeitsplätze gesichert haben, spielen laut Experten eine erhebliche Rolle. „Die gemessenen Zahlen sind in dieser Deutlichkeit einmalig, insbesondere im Kontrast zu den vorherigen Krisenmonaten. Die dafür verantwortlichen Hilfen und Sondereffekte sind zeitlich begrenzt, die Megatrends für Wirtschaft und Verbraucher haben länger Bestand“, so Hantzsch.

Eine Einschätzung, die die Verbraucherzentrale NRW teilt und auch darauf zurückführt, dass viele Menschen in der Krise besonnen mit ihren Finanzen umgegangen seien. Dies bestätigen auch die Erkenntnisse von Creditreform. Seit Anfang 2020 seien von privaten Haushalten mehr als 200 Milliarden Euro zusätzlich zurückgelegt worden.

„Finanzieller Stress“ hat zugenommen

Laut Creditreform-Schuldneratlas 2021 sind aktuell noch rund 13,5 Millionen Haushalte in Deutschland von Einbußen beim Haushaltsnettoeinkommen betroffen. Der sogenannte „finanzielle Stress“ habe für Verbraucher daher zugenommen.

Die aktuellen Entwicklungen bereiten allerdings Sorge. Wirtschaftliche Schwierigkeiten aufgrund reißender Lieferketten, steigende Preise für Logistik oder auch Energie und damit eine deutlich erhöhte Inflationsrate sind Warnsignale für die Experten. Diese „Megatrends“ dürften sich ihrer Ansicht nach absehbar auf den Geldbeutel der Verbraucher auswirken. Insofern sind die vergleichsweise positiven Ergebnisse im Schuldenatlas 2021 – sinkende Überschuldung trotz Corona, und damit verbunden scheinbar weniger wirtschaftliche Schwierigkeiten – lediglich eine Momentaufnahme. Und diese fällt zudem je nach Region und Altersgruppe deutlich unterschiedlich aus.

Altersarmut wird sichtbar

Insgesamt ist die Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahre am stärksten verschuldet. Dies trifft beispielsweise auch in Hagen zu, wo von knapp 156.000 Erwachsenen knapp 24 Prozent der 30- bis 39-Jährigen verschuldet sind. Im Märkischen Kreis sind es knapp 19 Prozent, im EN-Kreis gut 15 Prozent, im Hochsauerlandkreis und im Kreis Siegen-Wittgenstein knapp 14 Prozent und im Kreis Olpe gut 11 Prozent.

Am geringsten verschuldet ist die Altersgruppe ab 70 Jahre. Hier sind selbst in Hagen lediglich 3,95 Prozent in Geldschwierigkeiten. In den Kreisen liegt die Größenordnung um 3 Prozent.

Bei den 60- bis 69-Jährigen wird laut Creditreform die Gefahr von Altersarmut dagegen deutlich sichtbarer. Es ist die einzige Altersgruppe, in der die Verschuldung gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist, und zwar um sechs Prozent. Laut Verbraucherzentrale zeige sich hier bereits der Preisanstieg bei Mieten, Energie und Lebensmitteln.