Duisburg/Essen. Arcelor-Mittal will das Duisburger Stahlwerk klimafreundlich umbauen. Voraussetzung: Staatshilfe. Ansonsten sei das Werk mit 1000 Jobs bedroht.
Der weltweit größte Stahlkonzern Arcelor-Mittal will seinen Standort in Duisburg mit knapp 1000 Beschäftigten umbauen, um eine klimaneutrale Produktion zu ermöglichen. Die Voraussetzung für millionenschwere Investitionen sei allerdings staatliche Unterstützung in beträchtlichem Umfang. „Als Unternehmen allein können wir den Bau der neuen Anlagen nicht finanzieren“, sagt Paul Tetteroo, der Chef von Arcelor-Mittal in Duisburg, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir reden hier – bezogen auf die Stahlindustrie insgesamt – von einem historischen Strukturwandel.“ Arcelor-Mittal rechne mit einer Investition für die gesamte Anlage von mehr als 250 Millionen Euro. Etwa die Hälfte davon erhoffe sich das Unternehmen als finanzielle Unterstützung des Staates. Das Ziel sei, im Laufe der nächsten Jahre die komplette Produktion in Duisburg klimaneutral zu gestalten.
Bislang bekommt Arcelor-Mittal das Roheisen, das in den Stahlwerken des Konzerns in Duisburg-Ruhrort verarbeitet wird, aus den benachbarten Hochöfen von Thyssenkrupp. Diese Verbindung zu Thyssenkrupp will Arcelor-Mittal kappen. Es gehe darum, die Hochöfen zu ersetzen, sagt Tetteroo. Arcelor-Mittal wolle dies tun, indem das Unternehmen in Ruhrort künftig Eisenschwamm vom Arcelor-Mittal-Standort in Hamburg einsetze. Das Material soll dort in einer sogenannten Direktreduktionsanlage hergestellt werden – in Zukunft mit Wasserstoff und grünem Strom aus Windkraftanlagen. Bei diesem Verfahren wird dem natürlich vorkommenden Eisenerz mit Hilfe von Wasserstoff der Sauerstoff entzogen. Dabei entstehen Wasser und Eisen. Eisen bildet das wichtigste Element bei der Stahlherstellung. Der Eisenschwamm könne per Bahn mit Spezialzügen von Hamburg nach Duisburg transportiert werden, berichtet Tetteroo.
Pläne für neuen Elektrolichtbogenofen in Duisburg
Auf dem Gelände in Ruhrort will Arcelor-Mittal einen neuen Elektrolichtbogenofen bauen, um das Material einzuschmelzen und zu verarbeiten. Dafür benötige das Unternehmen auch noch einen Anschluss zum 380-Kilovolt-Netz, das bisher nur in Duisburg-Walsum über den Rhein ankommt. Eine zeitnahe Genehmigung und zügige Erweiterung zum Stadtteil Beeck sei „sehr wichtig“, betont Tetteroo. Für den Betrieb eines Elektrolichtbogenofens ist jede Menge Strom erforderlich.
Die Fördergelder, die sich Arcelor-Mittal von Deutschland und der Europäischen Union erhoffe, seien für den Bau des Elektrolichtbogenofens gedacht, außerdem für den Bau logistischer Anlagen und einer Verladestation auf dem Duisburger Werksgelände. Eine bestehende Stranggießanlage und Walzwerke könne das Unternehmen bei diesem Konzept ohne größere Anpassung auch in Zukunft betreiben, sagt der Standortleiter.
„Wenn wir die Fördermittel wie geplant zeitnah in diesem Jahr zugesagt bekommen, können wir mit dem Bau demnächst beginnen und ab dem Jahr 2025 produzieren, wenn alles nach Plan läuft“, sagt Tetteroo. „Die Vorbereitungen haben bereits begonnen, denn es sind nur noch drei Jahre Zeit. Aktuell warten wir noch auf das grüne Licht der Europäischen Union, bevor wir beginnen können.“
Die staatliche Unterstützung sei zwingend erforderlich, um dem Standort Duisburg mit knapp 1000 Beschäftigten eine Zukunft zu geben, betont Tetteroo. „Ich will an dieser Stelle nicht um den heißen Brei herumreden: Ohne staatliche Fördermittel wäre der Standort auf Dauer massiv bedroht“, sagt er. Die Fördergelder sollen nach den Vorstellungen des Unternehmens aus einem Dekarbonisierungsfonds des Bundesumweltministeriums kommen. Die Genehmigung dazu müsse laut europäischem Beihilferecht die EU-Kommission erteilen.
Arcelor-Mittal hofft auch auf Förderung bei den Produktionskosten
Arcelor-Mittal werde allerdings nicht nur bei den Baukosten finanzielle Hilfe vom Staat benötigen, sondern auch eine Förderung bei den Produktionskosten, bis der Markt für grünen Stahl vorhanden sei, sagt Tetteroo. „Denn CO2-neutraler Stahl wird deutlich teurer sein als herkömmlich produzierter Stahl. Wir beliefern mit unserem Draht und unseren Schmiedestücken vor allem Kunden aus der Autoindustrie, diese wollen ebenfalls zu wettbewerbsfähigen Preisen einkaufen.“
Arcelor-Mittal hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2030 in Europa 35 Prozent und weltweit 25 Prozent der CO2-Mengen zu reduzieren. Bis 2050 will Arcelor-Mittal in Europa komplett CO2-neutral produzieren. „Dies bedarf gewaltiger technologischer und finanzieller Anstrengungen“, sagt Tetteroo. „Investitionen müssen sich rechnen.“ Der Druck auf die Branche insgesamt in Europa steige, wenn der Preis für den CO2-Ausstoß weiter in die Höhe gehe.
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„Bei der Produktion einer Tonne Stahl entstehen etwa zwei Tonnen CO2. In den vergangenen fünf Jahren hat sich der CO2-Preis von wenigen Euro auf fast 100 Euro erhöht. Das führt zu Mehrkosten von beinahe 200 Euro pro Tonne Stahl“, rechnet der Arcelor-Mittal-Manager vor. „Ein Kostennachteil, denn außerhalb Europas hat Arcelor-Mittal diese Kosten für CO2-Emissionen nicht.“
Folgen des Krieges in der Ukraine für die Stahlindustrie
Der Krieg von Russland gegen die Ukraine hat auch für die Stahlindustrie in Deutschland massive Auswirkungen. Für bestimmte Produktionsprozesse in der Stahlerzeugung im Warmwalzwerk in Duisburg benötigt Arcelor-Mittal Erdgas. „Eine Reduzierung der Verfügbarkeit von Erdgas kann zu Produktionsausfällen führen, da die einzelnen Prozesse miteinander verbunden sind. Derzeit gibt es aber keinerlei Einschränkungen für unsere Produktion“, sagt Tetteroo zur aktuellen Lage.
Auf die Frage, ob die Umbaupläne damit in Gefahr geraten, antwortet Tetterroo: „Wenn die Preise aufgrund der Ukraine-Krise und der Lieferausfälle aus Russland weiter steigen, könnte sich die Situation verschärfen. Wir benötigen Erdgas als Brückentechnologie auf dem Weg zum grünen Stahl. Daher ist es enorm wichtig, dass wir in den kommenden Jahren eine sichere Versorgung in Deutschland haben werden, sonst ist die Transformation stark gefährdet.“