Essen. Aldi Nord eröffnet neue Konzernzentrale in Essen und zeigt dort erstmals das Büro des Mitgründers Theo Albrecht und eine Lebensweisheit.
Bis vor einem halben Jahr wurden manche Aldi-Nord-Filialen noch per Fax über die Einführung einer neuen Weinsorte informiert. Das soll sich gewaltig ändern. Als Ausrufezeichen für die Transformation des Essener Discounters soll der neue, 14 Fußballfelder große Campus im Stadtteil Kray stehen, der am Mittwoch offiziell eröffnet wurde. Hinter der gläsernen Fassade sollen rund 2000 Beschäftigte das Familienunternehmen in eine Zukunft führen.
Offenheit, Transparenz und Kommunikation hat sich der einst so geheimnisumwitterte Konzern zum Ziel gesetzt. In der neuen Zentrale sollen diese Werte gelebt werden. Die Probierküchen, die Lebensmittel-Eigenmarken auf ihre Qualität prüfen und Bettwäsche einem Schleudertest unterziehen, sind vom riesigen Foyer einsehbar. Mitarbeitende haben keine festen Schreibtische mehr, um die gegenseitige Begegnung zu fördern. Im Aldi-Fitnesscenter oder auf der fast einen Kilometer langen Joggingstrecke des Campus können sie Sport machen.
Das Band zur feierlichen Eröffnung durchschneiden aber nicht Aldi-Nord-Chef Torsten Hufnagel oder gar Gründer-Sohn Theo Albrecht junior. So weit ist der Öffnungsprozess dann doch noch nicht gediehen. Dafür hat der Mitgesellschafter aber immerhin zugestimmt, dass das Büro seines Vaters Theo Albrecht in der Campus-Eingangshalle aufgebaut wurde und damit erstmals der Öffentlichkeit zugänglich wird.
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Der etwa 30 Quadratmeter große Raum ist 1:1 hinter Glas transferiert worden und er sieht tatsächlich so spartanisch aus, wie man es dem im Jahr 2010 gestorbenen Patriarchen zugetraut hat: Holzvertäfelung, ein Lederstuhl und eine abgewetzte Aktentasche, die an einem Sideboard lehnt. Allein die Sammlung historischer Schreibtische erinnert an eine private Leidenschaft Theo Albrechts. An der Wand ein Spruch, der auch heute noch Mut macht: „Lass nicht zu, dass deine Gedanken dich in die Knie zwingen.“
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Die berüchtigte Sparsamkeit der beiden Gründer-Brüder Karl und Theo Albrecht hat Aldi Süd und Aldi Nord groß gemacht. Vor allem aber der Essener Ableger hat allzu spät den Schalter zur Neuzeit umgelegt. Kommunikations-Geschäftsführer Florian Scholbeck nimmt kein Blatt vor den Mund. „Zwischen 2000 und 2015 gab es einen Reformstau im Vergleich zu Wettbewerbern, aber auch zum Einzelhandel insgesamt“, räumt er ein und nennt ein Beispiel: In vielen Aldi-Filialen habe es lange kein WLAN gegeben, um die Warenwirtschaft mit dem Tablet zu steuern.
„Hier wird gerade jeder Stein umgedreht“
„Das ist aber nur eines von 295 Transformationsprojekten“, so Scholbeck. Dabei hatte die Familie bereits 2016 fünf Milliarden Euro freigegeben, um Aldi Nord zu erneuern. Nur 500 Millionen davon seien in die Modernisierung der Filialen geflossen. Richtig Fahrt habe die Aldi-Transformation aber erst aufgenommen, als Torsten Hufnagel im Herbst 2018 zum neuen Chef des Discounters berufen wurde. „Hier wird gerade jeder Stein mindestens einmal umgedreht.“ Seither seien etwa 150 Datenanalysten eingestellt worden, die permanent überprüfen, ob das Warensortiment noch bei den Kundinnen und Kunden ankommt.
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Auf dem langen Weg der Transformation soll aber auch der neue Campus in Essen ein wichtiger Baustein sein. Nach drei Jahren Bauzeit wurde der 100.000 Quadratmeter große Komplex pünktlich und trotz der Baukosten-Explosion „im Rahmen des Budgets“ fertiggestellt. „Wir wollen den Mythos Aldi in die moderne Zeit bringen“, sagt Scholbeck. Dazu gehört auch, dass nicht länger nur Insider die Zentrale im Straßenwirrwarr des Stadtteils Kray finden. Das Aldi-Logo leuchtet selbstbewusst am neuen Gebäude und ist schon von der Autobahn A 40 aus gut zu erkennen.