Auf Rechtsschutzversicherungen könnten demnächst mehr Fälle zukommen. Wer im Winter auf verschneiter Straße von der Fahrbahn kommt, ist zu schnell unterwegs gewesen.

Auf die Idee, seinen Winterreifenhersteller für den Schaden am Fahrzeug zu belangen käme er nicht, denn die Fahrt unternimmt der Fahrer wohlwissentlich auf eigene Gefahr. Wer dagegen mit seiner Geldanlage Schaden erleidet, sucht die Schuld meist nicht bei sich selbst, sondern beim Bankberater. Und das nicht immer ohne Grund, denn selbst im Jahr zwei nach der Pleite der Lehman Brothers stellte die Stiftung Warentest den Banken und ihren Kundenberatern im Juli 2010 ein vernichtendes Zeugnis aus.

Beratungsgespräch mussprotokolliert werden

Die Bankberatung, so die Verbraucherorganisation, sei bei 6 von 21 getesteten Banken und Sparkassen »mangelhaft«. Dabei ist das Risiko für die Anlageberater gestiegen, denn seit August 2009 gilt das neue Schuldverschreibungsgesetz, das ein über 100 Jahre altes Gesetz an die aktuelle Komplexität der Finanzmärkte angepasst hat. Es schreibt unter anderem vor, dass Anlageberater ab Januar 2010 jedes mit einem Privatkunden geführte Gespräch protokollieren müssen. Durch die Neuregelung können falsch beratene Anleger ihre Ansprüche gegen das beratende Geldinstitut zudem zehn Jahre lang geltend machen. Vorher konnten Banken nur innerhalb von drei Jahren wegen Fehlberatungen zur Rechenschaft gezogen werden.

Anlegergerecht beraten gehört heute zur Pflicht

Eine falsche Anlageberatung liegt vor, wenn der Berater den Anleger nicht anleger- oder anlagegerecht berät. Anlegergerecht bedeutet dabei, dass der Berater die Anlage auf die finanziellen Verhältnisse des Anlegers und seiner persönlichen Situation zuschneiden muss. Die Empfehlung von risikoreichen Aktien als Ausbildungsversicherung für ein Kind wäre daher nicht anlegergerecht. Anlagegerecht ist eine empfohlene Geldanlage nur dann, wenn der Berater
diese selbst geprüft und auf entsprechende Gefahren hingewiesen hat. Der Kauf einer Eigentumswohnung bei einem maroden Bauträger ist für den Anleger so ein Risiko, auf das der Berater hinweisen muss.

Rechtsschutzversicherung kann weiterhelfen

Bevor ein geschädigter Anleger jedoch den Rechtsweg einschreitet, muss er sich bei seiner Rechtsschutzversicherung informieren, ob diese im konkreten Fall greift. Grundsätzlich versuchen Rechtsschutzversicherungen über vage formulierte Ausschlussklauseln in den Versicherungsbedingungen die Übernahme von Kosten für Gerichtsverfahren zu vermeiden. Doch dieser Praxis hat das Oberlandesgericht Düsseldorf am 23. März 2010 einen Riegel vorgeschoben. Anleger, die durch falsche Anlageberatung geschädigt wurden und deshalb die Rückabwicklung des Vertrages gerichtlich durchsetzen möchten, können auf die Zahlung ihrer Rechtsschutzversicherung bauen (Az.: I-4 U 131/09). In dem vorliegenden Fall ging es um einen Versicherten, der als stiller Gesellschafter Anteile an einem Unternehmen erworben hatte. Obwohl die Versicherungsbedingungen den Rechtsschutz Beteiligungen an stillen Gesellschaften ausschlossen, kam das OLG zu der Entscheidung, dass die der Bank vorgeworfene Pflichtverletzung im vorvertraglichen Bereich liegt, nämlich in der Pflicht zu ordnungsgemäßer Beratung über die mit der Gesellschaftsbeteiligung verbundenen Risiken und Nachteile. Dies falle nicht unter die gesellschaftsrechtlichen Regeln, sondern die allgemeinen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches. Daher greife die Ausschlussklausel der Versicherung nicht. Diese enge Auslegung der Versicherungsbedingungen könnte für Anleger richtungweisend sein, denn dank der umfangreicheren Rechte dürften sich Anleger und Berater künftig öfter vor Gericht wiedersehen. Denn ein Winterreifen mag bei zu hoher Geschwindigkeit nicht mehr greifen, eine Rechtsschutzversicherung kann sich dem Zugriff der Versicherten nicht mehr so schnell entziehen. Christoph Neuschäffer