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Wenn der fünftgrößte deutsche Stromproduzent in wenigen Wochen einen neuen Eigentümer bekommt, ist das auch ein hoch politischer Vorgang. Die Steag, Energiesparte des Evonik-Konzerns, steht zum Verkauf. 51 Prozent der Anteile an dem Unternehmen, das zehn Kraftwerke in Deutschland und drei im Ausland betreibt, dürften bald den Besitzer wechseln.

Bis Jahresende soll der Käufer feststehen, gestern Abend lief die verbindliche Angebotsfrist aus. Zu den aussichtsreichsten Bietern gehört eine Gruppe von sieben Stadtwerken aus dem Revier. Verbündet haben sich die kommunalen Versorgungsunternehmen aus Duisburg, Essen, Bochum, Oberhausen, Dinslaken sowie zwei Dortmunder Stadtwerke. Im Rennen sind auch der Entsorgungsriese Remondis aus Lünen und die türkische Park-Holding. Die tschechische EPH-Gruppe sowie der indische Hinduja-Konzern haben nachgebesserte Angebote angekündigt.

Damit der Verkauf über die Bühne geht, muss der politisch beeinflusste Mehrheitseigentümer RAG-Stiftung ebenso zustimmen wie der Evonik-Investor CVC. Auch das Wort der IG BCE hat großes Ge­wicht, die Gewerkschaft hegt Sympathie für die Stadtwerke. EPH, die an der mitteldeutschen Braunkohlegesellschaft Mibrag beteiligt ist, habe jüngst während einer Vorstellungsrunde ebenfalls eine gute Figur bei Arbeitnehmervertretern gemacht, heißt es.

Stadtwerke erhoffen sich durch Steag-Kauf eine Stärkung im Strom-Wettbewerb

Die Stadträte der Revier-Kommunen müssen die Pläne ihrer Stadtwerke absegnen. Auch die Landespolitik schaltet sich ein. „Aus grüner Sicht gibt es viel Sympathie für die Stadtwerke“, sagte der Grünen-Fraktionschef in NRW, Reiner Priggen, dieser Zeitung. „Eine Zusammenarbeit von Stadtwerken und Steag bietet die Chance, die Kraft-Wärme-Kopplung im Ruhrgebiet erheblich auszubauen.“ An dieser Stelle gebe es erhebliche Defizite im Revier.

Auch in Kreisen der Stadtwerke ist von einer „ökologischen Neuausrichtung der Steag“ die Rede. „Es wird die Basis für die Zukunft der Energieversorgung im Ruhrgebiet geschaffen“, sagt ein Stratege. So sei geplant, an Standorten, wo sich bislang Kohlekraftwerke befinden, künftig Gas- und Dampf-Kombikraftwerke zu errichten. Steag-Kraftwerke befinden sich in Bergkamen, Herne, Lünen, Walsum oder Voerde. Die Stadtwerke erhoffen sich auch eine Stärkung im Wettbewerb mit den Energieriesen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall.

Der Wert der Steag wird auf knapp vier Milliarden Euro beziffert. Nach Abzug von Schulden, Pensionsverpflichtungen und Fremdanteilen bei Kraftwerken sollen es zwei Milliarden Euro sein. Finanzieren wollen die Stadtwerke die 51 Prozent, die gut eine Milliarde Euro kosten dürften, über ein Konsortium aus Landes- und Privatbanken. Die kommunalen Unternehmen sehen sich für eine Steag-Übernahme gerüstet – unabhängig von der angespannten finanziellen Lage der Städte. Remondis beeindruckt mit Finanzkraft: Dieser Bieter müsse nicht mal einen Kredit aufnehmen, so Insider.