Berlin. .

Die Mitarbeiter des Essener Baukonzerns Hochtief haben ihren Protest gegen eine Übernahme durch den spanischen Konkurrenten ACS in die Hauptstadt getragen. Sie fürchten um ihre Jobs.

Ein wenig erinnert die Atmosphäre an ein Länderspiel zwischen Deutschland und Spanien. Die röhrenden Vuvuzelas vermischen sich mit den Trillerpfeifen und Rasseln zur typischen Stadionkulisse. Vorne schwenkt einer eine schwarz-rot-goldene Deutschlandfahne. Ein paar Meter weiter singt eine Gruppe ein eigens komponiertes Lied, dessen Refrain lautet: „Wir möchten keine Spanier sein.“

Nur geht es hier auf dem Invalidenplatz gegenüber vom Wirtschaftsministerium nicht um Ballbesitz und Tore. Sondern um Aktienbesitz und Arbeitsplätze. 2000 Hochtief-Mitarbeiter aus dem ganzen Bundesgebiet sind an diesem tristen Donnerstag nach Berlin gekommen, um gegen die geplante feindliche Übernahme ihres Unternehmens zu demonstrieren. Der spanische Konkurrenten ACS, der bereits knapp 30 Prozent an dem Essener Traditionsunternehmen hält, will die Mehrheit erwerben. Die Mitarbeiter fürchten um eine Zerschlagung des Konzerns. Und um ihre Jobs.

Wie Horst Schenesse. Seit 12 Jahren arbeitet der 34-jährige Aachener bei Hochtief. Drei Kinder hat er, gerade ein Haus gekauft. „Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn ich meine Arbeit verliere“, sagt er. Um viertel nach vier in der früh haben Schenesse und seine Kollegen den Zug in Köln genommen. Fünf Stunden später sind sie in der Hauptstadt angekommen und zum Invalidenplatz marschiert. Da stehen sie nun in ihren orangefarbenen Westen und mit den gelben Helmen auf dem Kopf im Nieselregen und warten auf Konzernbetriebsrat Siegfried Müller.

Müller und Raimund Neubauer, der Betriebsratsvorsitzende von Hochtief Construction, sind ins Wirtschaftsministerium gegangen, um eine Petition zu übergeben. Darin fordern sie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) auf, das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz zu ändern und so die geplante feindliche Übernahme zu verhindern. Als Müller und Neubauer wieder herauskommen, haben sie nicht viel zu vermelden. „Sehr zurückhaltend“ hätten sich die Mitarbeiter im Ministerium geäußert.

Sorge um die deutsche Wirtschaft

Der Protestzug setzt sich in Bewegung. Vorne weg läuft eine Gruppe, die Hochtief zu Grabe trägt. „ACB und Bundesregierung. Totengräber für Hochtief“, steht in weißen Lettern auf dem schwarzen Sarg.

Wer sich unter den Demonstranten umhört, merkt schnell: Den meisten geht es zwar vor allem um den Arbeitsplatz. Aber sie haben auch Sorge um die gesamte deutsche Wirtschaft. „Ich habe das Gefühl, dass Deutschland vor dem Ausverkauf steht“, sagt Alfred Moldenhauer aus Marl. Und mit dieser Meinung steht er nicht alleine da.

Mittlerweile ist der Demonstrationszug vor dem Reichstag angekommen. Aber der Stargast lässt auf sich warten. Es ist Sitzungswoche im Bundestag, namentliche Abstimmungen stehen an und Sigmar Gabriel ist vorerst verhindert. Als der SPD-Chef dann um kurz vor zwei doch noch die Pritsche des roten Verdi-Wagens betritt, röhren die Vuvuzelas, die Rasseln rattern und die Pfeifen trillern. „Es geht hier nicht um einen Kampf Deutschland gegen Spanien und auch nicht um Protektionismus“, ruft Gabriel in die Menge. „Wir wollen nur, dass unsere Leute genauso behandelt werden wie alle anderen in Europa.“ Beifall brandet auf.

Wenig Neues von Gabriel

In der Sache hat Gabriel nicht viel Neues zu berichten. Dass seine Partei den Antrag auf Änderung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz in den Bundestag eingebracht habe. Dass es nun schnell gehen müsse. Und dass es hier nicht um Parteipolitik gehen dürfe, sondern darum, „etwas für die stolzen deutschen Unternehmen zu tun.“ Solche Sätze kommen an bei den Leuten.

Nach Gabriel ergreift Betriebsratschef Müller noch mal das Wort und schießt gegen die Bundeskanzlerin. Ihr Satz, dass sie das Geschehen um Hochtief als „interessierte Beobachterin“ verfolge, könne „beschämender, verletzender und arroganter“ gar nicht sein. „Aber wir werden weiter kämpfen und Schulter an Schulter gegen ACS vorgehen.“

Als er von der Bühne kommt, sieht Müller mitgenommen, aber auch zufrieden aus. „Die Hoffnung ist groß, dass sich etwas bewegt“, sagt er.

Der Platz leert sich schnell, die Busse warten schon, um die Hochtief-Mitarbeiter nach Hause zu bringen. Nur die Sargträger scheinen Zeit zu haben. Sie haben den Sarg zur Theke umfunktioniert und trinken ein Bier auf den langen Tag.